Der Künstler und Shop-Dramaturg Markus Walter wohnt in einer nicht gerade minimalistischen Wohnung in Wieselburg. Dabei hat er erst kürzlich ausgemistet. Der knochige Herr auf der Couch durfte sitzen bleiben.

"Ich habe eine große Affinität zu Skeletten, Totenköpfen und altem Gebein. Das hat für mich nichts Morbides, sondern ist ganz einfach Teil des Lebens. Der Tod ist ein thematischer Begleiter. Und da ich berufsbedingt oft weite Strecken mit dem Auto zurücklegen muss und eigentlich ungern allein bin, habe ich eines Tages in einem Faschingsgeschäft dieses Skelett gekauft, das mich die letzten Monate auf dem Beifahrersitz meines Autos durch Österreich begleitet hat – natürlich angegurtet! Das hat mitunter für viele Fotos und Lacher auf den Kreuzungen gesorgt. Jetzt, in Zeiten einer neuen Corona-Häuslichkeit, sitzt das Skelett halt bei mir auf der Couch und leistet mir nun im Wohnzimmer Gesellschaft. Für den heutigen Termin habe ich mir sogar ein Hemd und einen Mund-Nasen-Schutz genäht – inhaltlich konform mit Ellen und Handknochen, weil man natürlich nichts dem Zufall überlässt, wenn schon mal der Standard zu einem nach Hause kommt.

Erst Beifahrer, jetzt Mitbewohner: Markus Walter mit Faschingsskelett auf seiner Couch.
Foto: Florian Albert

Auch sonst ist die Wohnung bis zu einem gewissen Grad inszeniert, denn ich bin ein leidenschaftlicher Sammler. Es gab die Sammelphase der Skelette, die Phase der Schweine, der Blumen, des Golds, der Lampen, des Spielzeugs, des Keramikobsts, der Nussknacker und so weiter. Oft dauern diese Phasen Wochen und Monate an, und dann fliegen mir die Dinge nicht nur zu, sondern ich fordere sie regelrecht herbei, indem ich auf Flohmärkten und in Caritas-Lagern danach Ausschau halte.

Ich brauche diese Fülle und Dekoration um mich herum, denn sie inspiriert mich, sie befeuert mich, sie hält mich Tag für Tag am Denken. Wobei ich dazusagen muss, dass ich die Wohnung in den letzten paar Wochen bis zur Unkenntlichkeit ausgemistet habe. Davor war’s hier wirklich ziemlich voll, muss ich gestehen, aber ich habe das ganze unnütze Zeugs in circa 20 Bananenschachteln gegeben und in meinem Freundeskreis verschenkt. Man muss ja auch einmal loslassen können!

Das mannshohe Duplo-Männchen hat Markus Walter in einem Geschäft entdeckt.
Foto: Florian Albert

Die Wohnung hat rund 110 Quadratmeter auf zwei Etagen und befindet sich in einer Wohnhausanlage am Rande von Wieselburg. Die Anlage wurde Mitte der Neunzigerjahre errichtet, das heißt, ich wohne hier nun seit rund 25 Jahren. Das Beste ist, dass es zur Wohnfläche noch einen kleinen, 35 Quadratmeter großen Garten gibt, der auch ein bisschen dekoriert ist – mit Tieren, Figuren und einem mannshohen Duplo-Männchen, das ich mal in einem Geschäft entdeckt habe. Doch meine mir wichtigste Gartenmitbewohnerin ist meine Polyestergiraffe Roswitha.

Polyestergiraffe Roswitha ist die wichtigste Gartenmitbewohnerin.
Foto: Florian Albert

Ich beschäftige mich beruflich mit Shopdesign, Dekoration und Schneiderei und habe entsprechend geringe Berührungsängste mit Stoffen, Mustern und kräftigen Farben. Je mehr, desto besser. Ein Asket war ich noch nie. Auch nicht, was meine Garderobe betrifft. Bei 100 Sakkos, 200 Gürteln und 400 Paar Schuhen habe ich zu zählen aufgehört. Ein Wunder, dass das alles in diesem Haus überhaupt noch Platz findet! Bis zum heutigen Tage bewundere ich, wie Menschen in leeren, aufgeräumten, minimalistischen Wohnungen mit wenigen Dingen leben können – ich wüsste beim besten Willen nicht, wie das gehen soll. Ein Leben ohne die Fülle ist für mich schlichtweg nicht vorstellbar.

Neben Spielzeug und Skeletten sammelte er auch schon Nussknacker und Keramikobst.
Foto: Florian Albert

Auch jetzt in der Corona-Krise ist mein Leben irgendwie voll. Viele Jobs und Seminare sind weggebrochen, nachdem die Geschäfte wochenlang geschlossen waren, keine Frage. Und ja, das ist wirtschaftlich bitter. Aber fad wird mir deswegen noch lange nicht. Ich habe mich in dieser Zwischenzeit umorientiert und bereits fast 300 Masken in Auftrag genäht. Selbstverständlich mit verrückten Stoffen, was sonst! Understatement sucht man bei mir vergeblich." (11.5.2020)