Haben Kinder über mehrere Tage hohes Fieber, sollten Eltern 1450 anrufen, raten Kinderärzte. Eine Sars-Cov-2-Infektion verläuft bei Kindern nahezu immer mild.

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Es sind viele offene Fragen, die es in der Corona-Krise noch zu beantworten gilt. Fakt ist: Kinder, die sich mit Sars-CoV-2 infizieren, haben meist wenig Probleme, mit dem Virus fertigzuwerden. Oft verlaufen Infektionen sogar gänzlich ohne Symptome. Eine chinesische Studie zeigt, dass von 2.135 infizierten Kindern und Jugendlichen ein einziger Patient verstarb. Auch in Österreich gab es nahezu keine schweren Verläufe, also Situationen, in denen Kinder wegen einer Sars-CoV-2-Infektion ins Spital mussten.

Doch weil vieles über das Virus noch unbekannt ist, herrscht auch in den Kinderkliniken rund um den Erdball erhöhte Aufmerksamkeit. In New York dokumentierten Kinderärzte 15 Patienten und Patientinnen im Alter zwischen zwei und 15 Jahren, die Symptome einer generalisierten Entzündungsreaktion im Körper zeigten, "Kawasaki-like Syndrome" ist der Fachbegriff.

Dieses Krankheitsbild wird in der kinderheilkundlichen Diagnostik bei anhaltendem Fieber über mehrere Tage in Betracht gezogen. Dabei treten oft Halsweh, Bauchschmerzen, Durchfall und ein Ausschlag am Körper auf. Offensichtlich fiel den Kinderärzten während der Corona-Krise eine Häufung solcher Symptome bei einigen Patienten auf. Sie führten PCR-Tests auf Sars-CoV-2 durch und bekamen unterschiedliche Ergebnisse. Einige der akut kranken Kinder waren positiv, hatten also eine aktive Infektion, andere waren negativ, hatten aber bereits Antikörper, sich also schon zuvor infiziert gehabt. Es gab aber auch Kinder, die keine Antikörper und keinen positiven PCR-Test hatten, oft aber Kontakt zu Sars-CoV-2-infizierten Personen.

Nur in den Hotspots

Auch aus anderen Kinderkliniken in den Hotspots der Corona-Pandemie berichteten Mediziner von einzelnen schweren Verläufen bei Kindern, jüngst auch in einer Studie aus England. Die Kinderärztin Shelley Riphagen vom Evelina London Children's Hospital präsentierte acht schwere Covid-Verläufe, mehrheitlich bei Kindern mit afrikanisch-karibischem Ursprung.

Österreichs Kinderärzte verfolgen diese Publikationen mit großer Aufmerksamkeit. "Wir wissen, dass es solche schweren Verläufe geben kann, dass sie jedoch extrem selten sind und deshalb dort eher auftreten, wo es hohe Infektionsraten gibt", sagt Thomas Müller, Vorstand der Kinderklinik an der Medizinischen Universität Innsbruck. Eine Hypothese: Sars-CoV-2 dockt an den ACE-2-Rezeptoren im Körper an, die es in vielen Organen und auch an den Wänden der Blutgefäße gibt. Diese Zellen heißen Endothelzellen. Jene Kinder, bei denen sich das Virus dort einnistet, könnten von einem schweren Verlauf, also einer Art Vaskulitis, die dem Kawasaki-Syndrom ähnlich ist, betroffen sein, sagt Müller. Ein solche systemische Vaskulitis durch eine Sars-CoV-2 Infektion der Endothelzellen wurde bei Erwachsenen jüngst in der Fachzeitschrift "Lancet" erstmalig publiziert.

Müller betont jedoch, dass es zurzeit viele Unklarheiten gibt. Etwa die wichtige Frage, ob diese Form der Erkrankung ein seltener schwerer Verlauf einer Sars-CoV-2-Infektion bei Kindern ist oder aber die Folge einer überschießenden Immunreaktion nach einem asymptomatischen oder einem leichten Verlauf.

Einziger Fall in Österreich

Doch die Aufmerksamkeit auf die Möglichkeit einer generellen Entzündung bei jungen Patienten sei wichtig. Zum einen, weil mögliche andere Infektionen ausgeschlossen werden müssen, weil Vitalparameter wie Blutdruck und Sauerstoffsättigung aufmerksamer als in der Routine überwacht werden sollten und eventuell auch eine Therapie mit Immunglobulin in Betracht zu ziehen ist. "Eine frühe Behandlung verhindert Entzündungen in den Blutgefäßen, die wiederum ein Risiko für Mikrothrombosen in den Koronargefäßen und in der Folge Herzinfarkten im Kindesalter sein könnten."

Weil Österreichs Kinderärzte gut miteinander vernetzt sind, gibt es zum einen Leitlinien, zum anderen auch Erfahrungsaustausch unter den Medizinern. Auch in Österreich gibt es einen Fall, der an das Kawasaki-Syndrom erinnert. Ein elfjähriger Bub afrikanischer Abstammung wurde an der Kinderklinik in Graz wegen Fiebers und Bauchmerzen behandelt, war beim PCR-Test positiv und entwickelte eine Kawasaki-ähnliche, überschießende Immunreaktion mit Kreislaufschock. "Es war ein Kind ohne bekannte Vorerkrankungen", berichtet Volker Strenger, Infektiologe und behandelnder Kinderarzt an der Kinderklinik in Graz. Anhaltendes Fieber und Bauchschmerzen waren die Hauptsymptome.

Genetische Ursachen

"Genetische Ursachen könnten eine Rolle für schwere Verlaufsformen mit der überschießenden Immunreaktion spielen", sagt Müller, das würde sich mit den Beobachtungen aus London decken, wo ebenfalls mehrheitlich Kinder aus afrikanisch-karibischen Familien an Covid-19 erkrankten. Mittlerweile ist der Bub in Graz von der Intensivstation wieder auf der Normalstation verlegt worden und soll demnächst entlassen werden. Für das Kawasaki-Syndrom gibt es eine Reihe unterschiedlicher Therapieformen. "Es kann sein, dass die Therapie mit Immunglobulinen gewirkt hat", sagt Strenger. Es könne aber auch sein, dass er sich von selbst erholt hat.

Generell wisse man noch zu wenig über den Infektionsverlauf von Sars-CoV-2 bei Kindern, was darauf zurückzuführen ist, dass eine Infektion seltener auftritt und fast immer mild verläuft. Strenger kann das aus eigenen Erfahrungen sagen: Von 503 Kindern, die an der Kinderklinik Graz aufgrund von verdächtigen Symptomen getestet wurden, war der PCR-Test nur bei drei Kindern positiv. "Das sind sechs Promille," sagt Strenger.

Expertise in Wien

Auch am St.-Anna-Kinderspital gibt es eine hohe Expertise für das Kawasaki-Syndrom. Dort gab es jedoch keinen einzigen Fall im Zusammenhang mit Sars-CoV-2. Eine Ähnlichkeit des Kawasaki-Syndroms und verschiedener Symptome einer heftigen Erkrankung an Covid-19 wäre durch die manchmal starken Entzündungszeichen in beiden Krankheitsbildern erklärbar. "Derzeit liegen zu diesem Thema keine klinischen Studien oder fundierten Daten, die über die Beobachtung in New York hinausgehen, vor," sagt Wolfgang Holter, Ärztlicher Direktor des St.-Anna-Kinderspitals. Und die seien für eine gesicherte Aussage zu einem Zusammenhang unabdingbar.

Generell ist nicht einmal der Zusammenhang zwischen dem Kawasaki-Syndrom und einer viralen Infektion jemals zuvor bewiesen worden, sagt auch Thomas Müller. Es wäre das erste Mal, man müsse die Daten deshalb erst sorgsam und gründlich auswerten.

Wann Eltern sich Sorgen machen sollten? Wenn Kinder über mehrere Tage hoch fiebern, sollten sie einen Kinderarzt konsultieren. Doch diesen Rat hätte er auch vor der Covid-Pandemie schon gegeben. (Karin Pollack, 9.5.2020)