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Derzeit sind viele Familienmitglieder ausschließlich durch Smartphones und Videocalls miteinander verbunden. Aber wer sagt, dass man nicht trotzdem spielen kann.

Foto: REUTERS/ALESSANDRO GAROFALO

Nach dem vergnügten Gekicher folgt das hektische Tapsen kleiner Füße und ein freudiges "Hab dich!". Als ich begreife, was im Kinderzimmer los ist, muss ich laut lachen. Mein Kindergartenkind hat tatsächlich eine Möglichkeit gefunden, mit seinem kleinen Freund per Videocall Verstecken zu spielen. In der nächsten Viertelstunde laufen wir Eltern mit dem Smartphone durch unsere Wohnungen, damit die Kinder für ein paar Minuten trotz Social Distancing Spielfreude abseits von Basteln und Brettspielen haben. "Gut, dass es Handys gibt", sagt das Kind atemlos und glücklich.

Screen-Time!

Corona lässt die Kleinsten auf vielerlei Arten erfinderisch werden. Sie spielen mit der Tante "Ich sehe, ich sehe, was du nicht siehst", indem sie sich gegenseitig das Wohnzimmer für eine Minute per Video zeigen – dann wird geraten. Auch eine vereinfachte Version des beliebten Spiels Activitywird spontan erfunden: Tiergeräusche erraten, Kinderliedertexte von den Lippen ablesen, Pantomime.

Bekannte berichten von einem Bewegungsspiel zwischen Großeltern und Enkelkindern: Es gilt innerhalb eines kurzen Zeitraumes möglichst viele Gegenstände zu einem bestimmten Thema zusammenzusuchen und dann im Videochat zu präsentieren. Gewinner ist, wer die meisten zeigt.

Auch wenn in manchen Familien strenge Regeln im Bezug auf die Smartphonenutzung herrschen, empfehlen Familientherapeuten, in der derzeitigen Ausnahmesituation die Beschränkungen zu überdenken. Gelegentliche Videocalls mit Großeltern, Freunden und Verwandten sind eine gute Alternative, um in Kontakt zu bleiben.

Die belgische Königin Mathilde beim Uno-Spielen.
Foto: ERIC LALMAND; via www.imago-images.de

"Uno!"

Für ältere Kinder, die bereits allein mit Smartphones und Tablets umgehen können, gibt es online viele Möglichkeiten, um auch mit den Großeltern, die vielleicht nicht so technologieaffin sind, zu spielen. Seit Beginn der Covid-19-Pandemie verzeichnet ein sehr simples, seit 2014 existierendes Online-Spiel Rekordzugriffe. Dank des Tabletop Simulator kann man Brettspiele virtuell nachbauen, um sie dann gemeinsam zu spielen. Vor dem Lockdown war das nur etwas für Nerds, jetzt können hier Großeltern und Enkelkinder zusammen "Mensch ärgere dich nicht" oder Mühlespielen. Auch das beliebte Kartenspiel Uno kann man inzwischen online spielen oder das legendäre Brettspiel Monopoly. Die meisten Angebote sind gratis – oder haben großzügig angelegte Probeabos.

Die Zukunft ist schon da

Wie in vielen anderen Lebensbereichen lehrt uns die Corona-Krise auch im Familienleben, dass vieles, das bis vor kurzem unmöglich erschien, jetzt plötzlich wie selbstverständlich funktioniert. "Unterschiedliche Situation wecken unterschiedliche Bedürfnisse, plötzlich werden Apps installiert, obwohl es bisher vielleicht ohne Hilfe nicht möglich war oder gar verweigert wurde", sagt Verena Fuchsberger vom Zentrum für Mensch-Computer-Interaktion an der Universität Salzburg. Die studierte Erziehungswissenschafterin und Psychologin untersucht in ihrem Forschungsprojekt, wie unterschiedliche Generationen über Distanz kommunizieren und spielen können.

Reicht es für das Spielerlebnis, wenn man den Würfel rollen sieht – oder braucht man dazu auch noch das Geräusch auf dem Tisch?
Foto: APA/AFP/NICHOLAS KAMM

In ihrer bisherigen Arbeit ging Fuchsberger von einer zunehmend digitalisierten, mobilen Welt aus, in der viele Großeltern mitunter Tausende von Kilometern entfernt sind. Nun leben wir alle, bis auf Weiteres, in einer ähnlichen Situation, in der viele Großeltern nur noch per Smartphone erreichbar sind. Für Fuchsbergers Fragestellung sind das spannende Zeiten.

Geräusche und Wearables

Für Kinder und Großeltern sind gemeinsame Erlebnisse und das Haptische sehr wichtig. Fuchsberger und ihr Team versuchen herauszufinden, welche Teile unserer Realität unbedingt auch ins virtuelle Spiel und in die digitale Kommunikation übernommen werden müssen. "Was kann man digital abbilden und was nicht, welche Gegenstände braucht man?", das ist die zentrale Frage für virtuelle generationsübergreifende Spiele.

Doch wie holt man die physische Komponente ins digitale Spiel? Ihre Arbeit erklärt Fuchsberger gerne am Beispiel eines Spielwürfels. Reicht es für das Spielerlebnis, wenn man den Würfel rollen sieht – oder braucht man dazu auch noch das Geräusch auf dem Tisch, damit man die Verbindung zum Mitspieler spürt und dessen Realität besser mitbekommt? Denkbar wären in Zukunft zum Beispiel auch Wearables, also etwa T-Shirts, die Berührungen simulieren können.

Ja, so ein T-Shirt würde das Fangenspiele per Videocall noch viel cooler und aufregender machen. Fuchsberger bedauert, dass ihr Forschungsprojekt noch keine fertigen Lösungen anbieten kann. Meine Kinder und ihre Freude auch. (Olivera Stajić, 8.5.2020)