Thomas Arnoldner schaltet jetzt öfters die Kamera am Laptop ein und hat in den vergangenen Wochen Wohnzimmer und Kinder der Kollegen kennengelernt.

Renée Del Missier

"Im Moment erleben wir nicht nur eine massive Digitalisierungswelle, wie wir sie noch nie erlebt haben. Bisher war die Digitalisierung von Geschäftsprozessen oftmals auch gebremst von der Wahrnehmung, dass etwas ‚ja schon immer so funktioniert‘ hat. Man stelle sich vor, wie wir die Krise vor zehn, 20 Jahren ohne diese Mittel gemeistert hätten. Wir sehen jetzt ganz deutlich: Unternehmen, die digitalisierter sind, stehen momentan krisensicherer da als andere.

Wir sehen auch eine massive Veränderung des Managementstils in diesem Land. Die Wirtschaft Österreichs ist oftmals immer noch stark in einer Präsenzkultur verhaftet: Wer lange im Büro sitzt, bringt gute Leistung. Homeoffice hatte bisher immer mit dem Beigeschmack der ausgiebigen Mittagspause und der nebenbei eingeräumten Waschmaschine zu kämpfen. Wir haben jetzt in rasender Geschwindigkeit gelernt, wie man effizient auch über lange Zeit im Homeoffice produktiv arbeiten kann. Ich bin davon überzeugt, dass das Homeoffice in Zukunft gleich bedeutend wie die Office-Präsenz gesehen wird. Diese Entwicklung, als Projekt umgesetzt, hätte kein Unternehmen der Welt erfolgreich zum Fliegen gebracht.

Bisher war das Arbeiten im Homeoffice oft situativ. Wenn ein besonders komplexes Thema in Ruhe bearbeitet werden sollte, hat man sich ins Homeoffice zurückgezogen. Das ist jetzt ganz anders. Dadurch fehlte es gerade zu Beginn auch an der menschlichen Komponente. Das schnelle ‚Hallo, wie geht’s?‘ im Aufzug fehlt genauso wie die Möglichkeiten, sein Gegenüber schneller einzuschätzen, weil man sich halt im Meeting gesehen hat. Es haben sich aber bei uns nun einige Regeln entwickelt, die uns helfen. Wir drehen zum Beispiel jetzt viel öfter die Kamera des Laptops auf und reden wirklich face-to-face. Auch in größeren Gruppen funktioniert das erfreulich gut. Das war keine Vorgabe, die wir gemacht haben, das hat sich entwickelt und tut uns allen gut. Viele Kollegen treffen sich jetzt auch zu einem After-Work-Drink virtuell und plaudern miteinander. Zugegeben: Ein Glas Wein in einem netten Lokal ersetzt das nicht. Aber es ist viel besser und persönlicher, als man glaubt. In der Mitarbeiterführung setzen wir nun sehr stark auf tägliche Stand-up-Meetings, die nur wenige Minuten dauern, aber allen Beteiligten ein sehr klares Bild der Aufgaben und Arbeitspakete liefern. Ich glaube, dass wir sehr viel, was wir jetzt oft aus der Not heraus entwickelt und eingeführt haben, auch noch nach der Rückkehr zur Normalität weiterführen werden.

Homeschooling als Herausforderung

Gerade als Eltern sind wir alle gerade besonders gefordert, und das ist nicht leicht. Unsere Kinder sind zu Hause, die Lehrer sind sehr motiviert und meine Frau und ich berufstätig. Das ist eine Gemengelage, die es in sich hat. Ich verstehe alle Eltern, die das Gefühl haben, dass sie an ihren Leistungsgrenzen sind. Und manchmal ist man auch drüber. Dass unser Unternehmen trotzdem derartig gut funktioniert, macht mich wirklich besonders stolz. Und: Durch manche Spontanauftritte in Videokonferenzen kenne ich jetzt auch einige Kids und Wohnzimmer der Kollegen besser ...

Wir haben in dieser Zeit erkannt, dass eine gut funktionierende interne Kommunikation gerade in Krisenzeiten noch viel wichtiger ist als sonst schon. Wir informieren unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter etwa alle zwei Tage via E-Mail über den aktuellen Stand der Dinge und die nächsten Schritte. Darüber hinaus haben wir von Anfang an mit einer Reihe interner und externer Experten gemeinsam Leitfäden und Richtlinien erarbeitet, die es unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ermöglichen, nicht nur gut und produktiv im Homeoffice zu arbeiten, sondern auch im Kundenkontakt, in den Shops zum Beispiel oder bei den Kundentechnikern, auf ihre Gesundheit zu achten. Mittlerweile haben wir, glaube ich, jeden Geschäftsfall, jeden Prozess und jedes Team nach bestem Wissen und Gewissen "krisensicher" gemacht. Wir nutzen aber auch unser unternehmensinternes Social Network noch intensiver: schnell einmal live gehen, um über die aktuelle Situation zu sprechen, oder Lifehacks aus dem Homeoffice teilen – das ist momentan nicht nur praktisch, sondern macht uns als Team auch stärker." (Protokoll Karin Bauer, 9. 05.2020)