"Grob formuliert", aber keine Beleidigung oder pauschale Verunglimpfung gegenüber den Ermittlungsbehörden: der Presserat über einen Kommentar Wolfgang Fellners in "Oe24" über die Justiz.

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Das Justizministerium hat sich beim Presserat über Artikel von kurier.at sowie oe24.at aus dem November 2019 beschwert. Sie suggerierten, Staatsanwaltschaft und Justiz handelten politisch motiviert oder eines zivilisierten Landes nicht würdig – ohne das mit entsprechenden Fakten zu untermauern. Der Presserat erkennt in den drei vorliegenden Artikeln weder eine Persönlichkeitsverletzung noch eine pauschale Verunglimpfung der Staatsanwaltschaften und Gerichte.

Das Justizministerium beschwerte sich über:

  • "Casinos Austria: Politischer Poker der Justiz?" hinterfragt Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen der Postenbesetzung von Peter Sidlo als Casag-Vorstand auf kurier.at. Der Standpunkt der Staatsanwaltschaft sei wiedergegeben, betont der Presserat. Die Autorin habe etwa den Zeitpunkt der Hausdurchsuchungen bei den Beschuldigten (darunter zwei ehemalige ÖVP-Minister) unmittelbar vor "der sehr wahrscheinlichen türkis-grünen Regierungsbildung" kritisiert.
  • In "Ein Minister geht aus Frust – schade um ihn" auf oe24.at trauert Herausgeber Wolfgang Fellner um Finanzminister Hartwig Löger, er habe "nun auch noch die Staatsanwaltschaft am Hals". Die Behörden würden hier über das Ziel hinausschießen. Und: "Dass ein Finanzminister als Eigentümervertreter der Casinos letztlich keine andere Möglichkeit hat, als einen zwischen VP und FP sowie den zerstrittenen Casinos-Eigentümern paktierten Polit-Deal durchzuziehen, ist ja wohl auch dem dümmsten Staatsanwalt klar. Oder soll er sich aufhängen?"

"Grob formuliert"

Der Befund des Presserats: Die Kritik möge hier zwar grob formuliert und umgangssprachlich vorgetragen sein. Eine Beleidigung oder pauschale Verunglimpfung gegenüber den Ermittlungsbehörden sieht der Senat darin aber nicht. Hinzu kommt, dass es sich bei dem vorliegenden Artikel um einen Kommentar handelt und darin selbst Meinungen vertreten werden können, die schockieren oder empören, befindet der Senat.

  • In "Justiz verfolgt Journalisten, nicht die Täter" auf oe24.at befasste sich Wolfgang Fellner mit den Ermittlungen im Zusammenhang mit der Aufnahme des Ibiza-Videos und kritisiert, dass es drei Monate bis zur Hausdurchsuchung bei dem involvierten Wiener Anwalt und sechs Monate bis zur ersten Verhaftung gedauert habe. "In jedem zivilisierten Land" hätte es gleich eine Verhaftung gegeben, in Österreich indes habe die Justiz monatelang nichts getan. Stattdessen habe die Justiz sich hinter die "Ibiza-Täter" gestellt, "Österreich" trotz richtiger Berichterstattung wegen Eingriffs in die Privatsphäre verurteilt und die Nennung der Namen und die Veröffentlichung von Fotos der Beschuldigten verboten. Darin sieht Fellner einen Skandal, Österreich sei eine Bananenrepublik, die Justiz gehe in Rekordzeit gegen Journalisten vor, während sie bei den wahren Tätern schlafe.

"Spitz, aber medienethisch zulässig"

"Auch wenn der Kommentar durchaus spitz und angriffig gegenüber der Justiz formuliert ist, liegt er nach Ansicht des Senats noch im Bereich dessen, was medienethisch zulässig ist", befindet der Presserat.

Die Kritik des Autors, dass verschiedene Schritte im Ermittlungsverfahren seiner Meinung nach nicht rasch genug durchgeführt worden seien, und die Kritik an Gerichtsentscheidungen seien von der Pressefreiheit gedeckt. Wenn der Autor die Ansicht vertritt, dass dies eines zivilisierten Landes nicht würdig und Österreich eine Bananenrepublik sei, so stellt dies ein Werturteil dar, das man nicht teilen müsse, das im Rahmen der Meinungsfreiheit jedoch zu tolerieren sei. (fid, 8.5.2020)