Gerald Köhler ist Vater der "Anstoß"- und "Fußball Manager"-Serie. Mit der neugegründeten Firma Winning Streak Games will es der Deutsche noch einmal wissen und den Fußballmanager-Markt aufmischen.

Foto: Gerald Köhler

Obwohl es mittlerweile etliche neuartige Fußball-Manager gibt, kehren einige Spieler immer noch zu den deutschen Ursprüngen des Genres zurück. Die Anstoß-Serie genießt einen gewissen Legendenstatus. Kreativer Kopf war Gerald Köhler, der danach die Entwicklung des Fußball Manager leitete. 2013 erschien der letzte Ableger – seither hat der Deutsche dem Genre den Rücken zugekehrt. Mit der neugegründeten Firma Winning Streak Games will es Köhler nun aber wieder wissen.

STANDARD: Mit Winning Streak Games haben Sie 2018 ein neues Studio gegründet. Was darf man sich davon erwarten?

Gerald Köhler: Einen zugänglichen und mit vertretbarem Zeitaufwand zu spielenden Manager für den PC. Unser Ziel ist es, den traditionellen deutschsprachigen Manager ins 21. Jahrhundert zu bringen. Anstoß 3 wurde ja gerade noch so im letzten Jahrhundert veröffentlicht.

STANDARD: Sie gelten als Vater der Fußballmanager-Spiele. Mit 24 haben Sie Anstoß veröffentlicht. Hätten Sie sich damals gedacht, dass Computerspiele Sie fast drei Jahrzehnte lang begleiten werden?

Köhler: Der eigentliche Vater der Manager ist Kevin Toms, der hat damals den ersten Football Manager für Addictive gemacht. Im deutschsprachigen Raum habe ich sehr früh angefangen, aber die Bundesliga-Manager waren am Anfang professioneller und sind als erste herausgekommen. Daher gibt es hier also auch mehrere Väter.

Persönlich wusste ich sehr früh, dass ich mich damit gerne beruflich beschäftigen möchte, aber ich wollte zuerst eine berufliche Basis legen, falls das nicht klappt. Im BWL-Studium war ich irgendwann dann an einem toten Punkt, da hat ein Professor Entscheidungs- und Spieltheorie angeboten. Das war quasi ein Neustart, und alles wurde gut.

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STANDARD: Auf Sie geht die legendäre Serie Anstoß und Fußball Manager zurück. Knigge – Spielend zum guten Benehmen sticht da heraus. Hatten Sie damals keine Lust mehr auf Fußballmanager?

Köhler: Ja, es hat auf jeden Fall gut getan, mal etwas anderes zu machen. Zuvor hatte ich ja hintereinander an ungefähr 20 Managern gearbeitet. Knigge war nur eine relativ kurze Periode, aber dennoch ein sehr interessantes Projekt für den Nintendo DS. Wir haben damals alle viel gelernt. Danach habe ich an diversen Browser- und Mobile-Projekten mitgearbeitet und mich viel mit Free to play befasst. Die Themen war vielfältig: Trucks, Eisenbahn, Gartenbau. Fußball ist aber am besten.

STANDARD: Sie sind ein Branchen-Urgestein. Inwiefern hat sich die Industrie ins Negative beziehungsweise Positive verändert?

Köhler: Früher war ich wirklich in der Branche drin, heute habe ich bis auf meine unmittelbaren Kollegen und Geschäftspartner nicht mehr so viele Kontakte. Wenn ich heute auf die Gamescom gehe, kenne ich nur noch wenige Leute vom Sehen. Ist halt alles groß geworden. Eine lineare Entwicklung zum Guten oder Schlechten sehe ich eher nicht, eher ein Auf und Ab. Damals wie heute gibt es aber in der Branche coole Unternehmen, bei denen das Arbeiten richtig Spaß macht.

STANDARD: Manager, Simulatoren und Aufbauspiele sind im deutschsprachigen Raum besonders beliebt. Wie erklären Sie sich das?

Köhler: Wir waren traditionell dem PC eher verbunden als den Konsolen. Damit gab es eben auch PC-typische Spiele mit Maus, Editoren usw., die hierzulande erfolgreicher waren. Oft auch mit einem gewissen Lerneffekt und relativ komplex und anspruchsvoll. Für die lokalen Spielefirmen waren diese Spiele zudem technisch relativ leicht zu machen, und man hatte keine ausländische Konkurrenz zu fürchten. Heute hat sich das gewandelt, solche Spiele sind selten geworden und floppen dann oft. Mit wenigen Ausnahmen ist praktisch alles international ausgerichtet, und die Unterschiede zwischen den Ländern sind klein geworden.

STANDARD: EA wird oftmals nachgesagt, dass sie die "Bösen" der Computerspieleindustrie sind. Wie würden Sie die langjährige Zusammenarbeit mit dem Konzern beschreiben?

Köhler: Ich hatte bei EA eine großartige Zeit, die ich nicht missen möchte. Als Arbeitgeber war EA absolut einzigartig. Das hatte total viel Energie, ich durfte tolle Leute kennenlernen, war viel in Kanada, und wir hatten insgesamt viel Spaß. Für meine persönliche Entwicklung war das die wichtigste Station meines Berufslebens. Auch das Ende war fair und korrekt, wir hatten Zeit, uns auf die neue Situation einzustellen.

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STANDARD: Heute hat Sega mit dem Football Manager das Genre in der Hand. Wie ist Ihre Meinung zu dem Game – so ganz ohne Ihr Zutun?

Köhler: Ich respektiere das Spiel, aber ich habe keine großen Emotionen dafür. Es ist sehr weit weg von den Spielen, die ich so mache, auch wenn es das gleiche Thema hat und sich bestimmte Spielelemente überschneiden.

STANDARD: Kritiker sagen dem Football Manager nach, dass er zu komplex sei und man sich in Details verläuft. Wie schwierig ist es, den Spagat zwischen Casuals und Hardcore-Gamern beim Umfang eines Spiels zu spannen?

Köhler: Man muss einfach wissen, was man möchte und für wen das Spiel sein soll. Für die erste Version einer Serie ist das noch einfach. Danach ist aber viel Disziplin vonnöten. Es gibt nämlich kein Zurück, das Weglassen ist bei Serien ein echtes Problem. Man bekommt sonst von den Spielern immer nur zu hören, dass man gerade das persönliche Lieblingsfeature eliminiert hat und dass man das nur in ein paar Jahren wieder neu verkaufen will. Was definitiv nicht der Punkt ist.

Wichtig ist also, dass man eher die vorhandenen Bereiche immer besser macht und das Spiel von vornherein nicht in alle möglichen Richtungen erweitert. Letzteres führt dazu, dass man irgendwann total die Kontrolle über das Zusammenspiel der Systeme verliert und dass Neueinsteiger durch die Größe des Spiels riesige Probleme bekommen. Das kann man auch über Tutorials und Hilfssysteme nicht mehr in den Griff bekommen. All das ist aber leichter gesagt, als getan, und ich habe bei fast allen meinen Spielen Sachen eingebaut, die ich lieber hätte weglassen sollen. Zu Anstoß 3 sage ich dazu nur: Zimmerbelegung.

STANDARD: Die Anstoß-Serie genießt nicht zuletzt aufgrund des Humors einen gewissen Legendenstatus. Hatten Sie es bei der Entwicklung selbst lustig?

Köhler: Das erste Anstoß war mehr oder weniger über fünf Jahre mein Spiel, an dem ich zunächst lange als Hobby alleine gearbeitet habe. Das hat schon sehr viel Spaß gemacht, vor allem die enge Zusammenarbeit und das Feedback mit den damals noch sehr wenigen Spielern. Der große Vorteil war, dass es durch die lange Entwicklungsdauer in kleinen Schritten sehr ausbalanciert war.

Der zweite Teil war dann quasi der berufliche Einstieg. Es war ein konsequentes, anstrengendes Projekt, aber ich habe wirklich gute Erinnerungen daran. Das Team hat hart gearbeitet, und das Produkt hatte am Ende fast keine Bugs. Ich bin auf Anstoß 2 Gold wirklich stolz.

Das dritte Anstoß war dann mehr oder weniger ein Horrorprojekt. Zu groß, viele Probleme bei der Entwicklung, Verzögerungen, endlose Überstunden und ein holpriger Start mit vielen Bugs. Wir haben dann nach dem Release noch Monate gebraucht, bis es zu dem wurde, was es heute ist.

Der Humor ist oft dokumentarischer Natur. Viele der seltsamen Ereignisse haben einen realen Hintergrund, der natürlich mittlerweile in Vergessenheit geraten ist. Aber wenn da ein Schamane oder ein Wunderheiler auftaucht, dann nicht, weil ich mir das aus den Fingern gesogen habe, sondern weil irgendein Verein, im Zweifelsfall der HSV, das wirklich so gemacht hat.

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STANDARD: Wie kam die Idee zu den teils irrwitzigen Pausenansprachen auf?

Köhler: Ich habe meine Ideen zu den verschiedensten Themen gesammelt und sie dann als Vorschläge unserem Musiker Dag Winderlich gegeben. So was wie: Wir brauchen eine Ansprache an ein junges Team, das dem Manager noch jedes Wort glaubt. Am Ende wurde daraus eine ernsthafte Motivationsansprache, bei der zum Schluss eine Kindergartengruppe begeistert aus dem Gruppenraum rennt. Das und die Sprachaufnahmen mit den Reportern und mit Matthias Knop waren immer mein persönliches Highlight, das hat immer sensationell viel Spaß gemacht, diese Tage vergingen wie im Flug.

STANDARD: Auf Anstoss-Jünger diskutieren auch heute noch Nutzer zur Anstoß-Serie und bereiten Updates auf. Macht Sie das stolz, dass Ihr Werk auch heute noch von vielen Menschen genutzt wird?

Köhler: Absolut. Ich verfolge das auch. Manche schicken mir auch immer noch ein Best-of und ihre neuesten Errungenschaften. Die finden auch immer noch neue Tricks, was man noch alles verändern kann.

STANDARD: Wird es Anstoß irgendwann für das Smartphone oder Tablet geben?

Köhler: Ich bin nicht im Besitz der Anstoß-Lizenz, daher kann ich dazu nichts sagen. Ich glaube aber nicht, dass momentan auf dem Smartphone das Potenzial des Genres auch nur annähernd ausgeschöpft wird.

STANDARD: Sind Sie als Chef eher jemand, der "Begeisterung zeigt" oder ab und an ein "Donnerwetter loslässt" oder gar an die "Ehre Ihrer Mitarbeiter" appelliert?

Köhler: Begeisterung zeige ich auf jeden Fall. Wenn jemand die Erwartungen übertrifft, macht mich das glücklich. Donnerwetter lasse ich keine los, und an die Ehre der Mitarbeiter musste ich auch noch nicht appellieren.

STANDARD: Zuletzt noch: Was macht Gerald Köhler eigentlich in seiner Freizeit?

Köhler: Aktuell bin ich ein bisschen quizsüchtig, das heißt, ich spiele gerne bei Kneipenquizzes mit – derzeit leider nur online – und nehme auch an richtigen Meisterschaften teil. In der Firma "trainieren" wir immer in der Mittagspause, jeder kann sich eigene Fragen ausdenken und kann mitraten. Ansonsten lese ich viel, meistens mindestens fünf Bücher gleichzeitig. Die meiste Freizeit verbringe ich aber mit der Familie, wir lieben zum Beispiel Achterbahnen, arbeiten bzw. toben im Garten und gehen gerne in klassische Konzerte. Hoffentlich geht das bald alles wieder. (Daniel Koller, 10.5.2020)