Es kommt einem bekannt vor: eine globale Krise, die keine nationalen Grenzen kennt. Wissenschafter, die über das Grundsätzliche einig sind, aber nicht über jedes Detail. Eine Politik, die handeln muss, um Menschen vor der zerstörerischen Kraft der Natur zu schützen, aber dabei hohe Kosten verursacht und daher oft zögert. Und ein wachsender Chor von Skeptikern, die sich mit Emotion, fragwürdigen Expertisen und manchen Verschwörungstheorien gegen wissenschaftliche Erkenntnisse und einen breiten politischen Konsens auflehnen – und damit bei einer Minderheit punkten können.

Was jahrelang von den Gegnern der Klimaschutzpolitik praktiziert wurde, wiederholt sich jetzt im Eiltempo in der Corona-Krise. Es ist natürlich legitim, die Härte und die Länge der von den Regierungen verhängten Beschränkungen im Kampf gegen das Virus zu diskutieren und auch zu kritisieren. Es ist immer noch möglich, dass sich der sanftere Weg Schwedens langfristig als der bessere erweist.

DemonstrantInnen in Wien fordern einen "Klima-Corona-Deal".
Foto: APA/HERBERT PFARRHOFER

Aber der Diskurs über die Corona-Politik hat in vielen Fällen den Boden rationaler Argumente verlassen. Vor allem Rechtspopulisten können der Versuchung nicht widerstehen, die wachsende Verzweiflung der Bevölkerung über den wirtschaftlichen Kollaps für Großangriffe auf Wissenschaft und das politische Establishment zu nutzen.

Querdenker

Unterstützt werden sie dabei wie schon beim Klimaschutz von einer Riege von Experten, die sich gerne als Querdenker inszenieren und die damit verbundene Aufmerksamkeit schätzen. Diese sprechen meist die Sprache der Wissenschaft, ohne in den relevanten Bereichen tatsächlich aktiv zu sein. Diese Allianz findet Zuspruch auch bei gebildeten Menschen, die sich reflexhaft gegen jede Gängelung durch den Staat wehren – sei es durch höhere Treibstoffsteuern, Recyclingregeln oder Ausgangsverbote.

So wandelt sich die seit Monaten von einigen Medizinern getrommelte Botschaft "Covid-19 ist nicht gefährlicher als eine Grippe" zur FPÖ-Kampagne gegen den "Corona-Wahnsinn" und in Deutschland zur Forderung der AfD nach "sofortiger Wiederaufnahme des wirtschaftlichen Lebens". In den USA können republikanische Gouverneure diese Gesinnung auch umsetzen: Immer mehr Bundesstaaten im Süden und Mittleren Westen beenden den Lockdown, obwohl gerade dort die Infektionszahlen rasant steigen. Auch extremistische Gruppen entdecken das Thema immer mehr für sich.

Studien zeigen, wie sehr sich Betreiber, Motive, Dynamik und Zielgruppen der Corona-Proteste mit denen des Widerstands gegen die Klimaschutzpolitik überlappen. Doch es gibt einen großen Unterschied: Bei der Klimakrise kann man wissenschaftliche Fakten jahrelang ohne eindeutigen Gegenbeweis ignorieren oder verdrehen. Denn die Erde erwärmt sich nur langsam. Bei Corona-Beschwichtigern dauert es oft nur wenige Wochen, bis steigende Infektions- und Todeszahlen sie Lügen strafen – oder sie sich selbst bei abstandslosen Protesten anstecken.

Die Pandemie wird dank der Wissenschaft irgendwann besiegt sein, die Klimakrise aber wird bleiben. Die Gegner des Klimaschutzes gefährden dabei nicht nur einzelne Mitbürger, sondern die ganze Menschheit. Vielleicht gelingt es, das in der Corona-Krise gewachsene Vertrauen in die Forschung und die offensichtlichen Irrtümer der Corona-Skeptiker dafür zu nutzen, dass sich auch in der Klimapolitik evidenzbasierte Vernunft durchsetzt. (Eric Frey, 8.5.2020)