Autozulieferer haben es jetzt, wo die Autobranche im Wachkoma liegt, schwer. Und das nach turbulenten Monaten mit Technologiediskussionen, Fahrverboten und allem, was dazugehört. Und das fällt für Markus Huemer durchaus unter Populismus.

STANDARD: Ihr Werk in China hat im Februar zugesperrt. Kurz darauf sagten Sie, es sei nicht auszuschließen, dass irgendjemand daherkommt und ganze Werke schließt, nur weil jemand einen Schnupfen hat. Jetzt stehen fast alle Werke still. Haben Sie es kommen sehen?

Huemer: Ob es notwendig war, flächendeckend Werke stillzulegen, wie es hier in Europa passiert ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Die Automobilindustrie ist jedenfalls als eine der wenigen komplett heruntergefahren – freiwillig. Kommen sehen habe ich es definitiv nicht. Das ist außerhalb meiner Vorstellungskraft gelegen.

Markus Huemer (38) übernahm vor gut einem Jahr den Vorstandsvorsitz. Seither geht es in der Branche rund. Zum Kochen kommt er trotzdem noch – gerne Hausmannskost. Camping, kleines Boot an der Donau und Freunde, damit wird die Freizeit gefüllt. Fit hält sich am Hometrainer. Als Vergnügen betrachtet er das aber nicht.

STANDARD: Das Virus hat auch die Autoindustrie infiziert. Die ist selbst zum Patienten geworden. Wie geht es weiter?

Huemer: Die Automobilindustrie hat schon davor gekämpft, der Absatz hat geschwächelt, die Autos sind mit starken Rabatten verkauft worden. Es gab einiges an Überkapazität. Dazu kam Corona. Die ganze Industrie konnte dichtmachen. Das auch dank Kurzarbeit. Jetzt wird es spannend. Wie es weitergeht, weiß keiner.

STANDARD: Sie haben Anfang März von turbulenten Zeiten gesprochen. Von Aufträgen, die Sie von Kunden erhielten und die eine Woche später wieder weg waren, weil sie von den Kunden storniert wurden. Geht es jetzt noch ärger zu, oder sind alle im Wachkoma?

Huemer: Das Hin und Her und Hü und Hott war wirklich in einer neuen Qualität. Jetzt, mit Corona, ist Wachkoma eine gute Beschreibung. Aber für unsere Industrie ist nicht der Shutdown das Problem. Für uns kommt erst jetzt das Problem mit dem Hochfahren. Seit zwei Wochen laufen wir stufenweise in sehr, sehr kleinem Ausmaß wieder an. Wir versuchen immer wieder, volle Schichten zu generieren, und machen dann wieder Schließtage oder Schließwochen. Ob die Lieferketten funktionieren, wissen wir noch nicht.

STANDARD: Ihre Kunden sind die großen deutschen Autohersteller, die schon wieder eifrig eine Verschrottungsprämie fordern. Wäre das auch ein Modell für Österreich?

Huemer: Nein, ich verstehe nicht, warum man das fordert. Ich bin froh, wenn Autos verkauft werden. Aber aus österreichischer Sicht sind Kaufanreize für Autos, die in Deutschland oder sonst wo gebaut werden, kompletter Blödsinn. Der Lieferanteil von Österreich ist marginal. Das wäre Verschwendung von Steuergeld.

Schon wird wieder über eine Verschrottungsprämie diskutiert. Huemer findet, das wäre Verschwendung von Steuergeld.
Foto: APA/dpa/Marcel Kusch

STANDARD: Ich frage auch, weil Sie kein Freund der E-Mobilität sind, obwohl Sie auch für E-Autos Komponenten bauen. Die Diskussion, ob wir das verstärkt fördern, wird wohl wiederkommen.

Huemer: Das wär dann Blödsinn zum Quadrat. Hochverschuldete Staaten verschulden sich noch mehr für E-Mobilität und verpflichten sich dazu, in die Ladeinfrastruktur zu investieren, weil es die nicht gibt. Wenn sie es sich leisten können. Man redet den Konsumenten Autos ein, die man nicht grenzüberschreitend nutzen kann. Und gleichzeitig – jetzt spreche ich aus deutscher Sicht – forciert man Produkte, bei denen möglichst wenig Wertschöpfung in Deutschland passiert, sodass noch mehr Arbeitsplätze als ohnehin gefährdet sind. Dummheit, für die es keine Steigerung gibt.

STANDARD: Dass die Umstellung von der Politik so rasant vorangetrieben wurde, haben sich die Autobauer aber schon auch selbst zuzuschreiben mit der Dieselbetrügerei.

Huemer: Ja, da hat man etwas verbrochen. Man hätte sich früher stärker positionieren müssen und zu dem stehen sollen, was man gemacht hat. Man hätte sich aber nicht in den Blödsinn reintreiben lassen sollen, der dann passiert ist. Die Politik hat gemacht, was die meisten hören wollen.

STANDARD: Sie sind seit gut einem Jahr im Amt. Mit Fahrverboten, Sparprogrammen der Kunden und Technologiediskussionen war es schon vor Corona aufregend.

Huemer: Man hätte sich wohl ein besseres Startjahr aussuchen können in dieser Funktion. Die Unberechenbarkeit und die Unzahl an Faktoren, die auf die Industrie eingeprasselt sind, haben schon überrascht. Ausgehend von einem Dieselfahrverbot in deutschen Innenstädten ist das Dieselbashing losgegangen, wir bauen keine Diesel mehr, zerstören damit die CO2-Bilanz der Hersteller. Dann führt man auf Biegen und Brechen eine Batterietechnologie ein, die kompletter Blödsinn ist. Die Politik hat populistisch reagiert.

Leichtbauteile führen wegen des geringeren Treibstoffverbrauchs zu einem erhöhten Bedarf nach Plastik- und Verbundteilen der Polytec.

STANDARD: Darüber werden sich die Geister wohl noch länger streiten. Jetzt wollen die Regierungen aber retten – koste es, was es wolle, heißt es in Österreich. Das muss Sie doch besänftigen.

Huemer: Das Geld wäre wesentlich besser investiert, wenn man wirkliche Hilfspakete macht und nicht solche Placebokredite vergibt.

STANDARD: Gibt es Probleme?

Huemer: Was schon eine Überlebenshilfe ist, ist die Kurzarbeit. Das ist aber eine Arbeitnehmerförderung und keine Arbeitgeberförderung. Aber natürlich ist es volkswirtschaftlich wichtig, nicht alle in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Dass man das in dieser Geschwindigkeit gemacht hat, war essenziell. Beeindruckend schnell gegangen ist auch das Thema Steuerstundungen.

STANDARD: Wo hakt es dann?

Huemer: Das ganze Thema Hilfskredite ist eine einzige Katastrophe. Kredite zu vergeben, mit allen Sicherheiten zu beladen, die es nur irgendwie gibt, mit Haftungen, die jedes Risikomanagement außer Kraft setzen, damit schürt man ein größeres Insolvenzrisiko in der Zukunft, als wenn man jetzt keine Kredite vergeben würde. Was sich da jemand gedacht hat, ist mir unerklärlich. Früher hat das nicht Unterstützungskredit geheißen, sondern Insolvenzverschleppung, wenn man so etwas gemacht hat.

STANDARD: Wenn Sie das so ärgert, reden wir über etwas anderes. Die Krise hat Greta Thunberg vollkommen aus der Öffentlichkeit katapultiert. Erleichtert?

Huemer: (Lacht.) Das ist der positive Effekt. Nein, Spaß beiseite. Für die Klimadebatte habe ich vollstes Verständnis. Dass ich Verpackungsmüll reduzieren muss ist klar. Dass der CO2-Ausstoß weltweit reduziert gehört, auch. Aber muss ich in Österreich und Deutschland noch einmal reduzieren und ganze Industriezweige opfern? Das ist, als gäbe es eine lustige Party, rundherum ist es zu laut, und weil es andere stören könnte, mache ich nicht mehr mit. Die Party geht weiter, es ändert sich nichts, nur ich bin betroffen.

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Ein ausgewiesener Freund der E-Mobilität ist Huemer nicht.
Foto: Reuters/Fabrizio Bensch

STANDARD: Klimaschützer wären mit dieser Einschätzung kaum einverstanden. Aber zum Stichwort Party: Die Polytec-Aktie bietet keinen Anlass zum Feiern. Jetzt könnten Sie ja in Tesla-Aktien investieren, die sind bei Partys gerne dabei.

Huemer: Ein Autohersteller, der ein paar Hundertausend Autos produziert und das mit Verlusten, ist mehr wert als VW, BMW und Daimler zusammen. Das war auch vor fünf Jahren undenkbar. Nein, es wird keinen Tag auf dieser Welt geben, wo ich in Tesla-Aktien investiere, das schwöre ich. Da kann ich auch ins Casino gehen. Da leistet man dann zumindest einen Beitrag für die lokale Wirtschaft.

STANDARD: Sie halten Türkis-Grün für eine passable und zeitgemäße Regierungskonstellation. Was fangen Sie nun mit grünen Rettungsideen wie Vermögenssteuern an?

Huemer: Natürlich wird jemand aufkommen müssen, für all das, was jetzt passiert. Irgendwo muss das Geld ja herkommen. Es werden wohl Unternehmen stärker besteuert werden. Und ob Vermögens- oder Erbschaftssteuer, schauen wir, was übrig bleibt. Vielleicht fällt jemandem etwas Sinnvolleres ein. Eine Substanzbesteuerung darf nicht sein. Aber dass die, die am meisten Steuern zahlen, auch das wieder bezahlen werden und nicht die, die ein Mindesteinkommen haben, das ist nicht unlogisch. Wer soll es sonst bezahlen? (Regina Bruckner, 10.5.2020)