Jannis Bonek neigt nicht zum Dramatisieren. Der 20-jährige Wiener würde niemals behaupten, einer der ersten Österreicher gewesen zu sein, die mit dem Coronavirus in Berührung gekommen sind. Es spricht einiges dafür, dass Bonek schon Ende Oktober des Vorjahres an Covid-19 erkrankt war, "es spricht aber auch einiges dagegen", sagt der Orientierungsläufer.

Jannis Bonek in Wuhan bei seinem wegen Corona idealen Sport: "Im Orientierungslauf ist ja jeder Kontakt mit anderen verboten."
Foto: Mike Gottlieber

Sportlerkollegen, die wie Bonek vor einem halben Jahr an den Militärweltspielen in Wuhan teilgenommen haben, sind da weniger zurückhaltend. "Als wir in Wuhan eingetroffen sind, sind wir alle erkrankt. Auch viele Athleten anderer Delegationen", sagte der italienische Fechter Matteo Tagliariol dem Corriere della Sera. Der 37-jährige Degenolympiasieger von 2008 fieberte nach seiner Heimkehr aus China hoch, konnte kaum atmen. Schließlich habe sich sein zweijähriger Sohn infiziert, dann seine Freundin. Als die Pandemie im Entstehen war, lag für Tagliariol der Schluss nahe: "Das war Covid-19."

"Patientin null"

Im vergangenen März wurden die siebenten Militär-Sommerweltspiele zum Politikum. Zhao Lijian, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, antwortete auf Schuldzuweisungen aus den USA mit der Behauptung, Angehörige der US-Army hätten das Virus nach Wuhan gebracht. In sozialen Medien wurde die Radsportlerin und Army-Reservistin Maatje Benassi als "Patientin null" denunziert. Die 52-Jährige erhält seither Morddrohungen.

Tatsache ist, dass die Spiele in Wuhan schon während ihrer Aufführung zwischen 18. und 27. Oktober 2019 für viel Missvergnügen sorgten. China wurde vorgeworfen, die Fairness dem Erfolg zu opfern. Boneks Metier, der Orientierungslauf, lieferte ein unschönes Beispiel. Chinesische Außenseiter dominierten zum Auftakt. Von unerlaubter Streckenkenntnis war die Rede, von Gastgebern, die einfach liefen, ohne sich orientieren zu müssen et cetera. Disqualifikationen standen im Raum, die Organisatoren drohten im Gegenzug, den Orientierungslauf zu streichen. Schließlich wurde so getan, als seien Chinesen gar nicht erst am Start gewesen.

Die Militärweltspiele im Oktober 2019 in Wuhan haben vielleicht für Ruhm, sicher aber für Unfrieden und rätselhafte Krankheitsfälle gesorgt.
Foto: imago images/Xinhua

Jannis Bonek und die anderen Österreicher – die Delegation umfasste rund 90 Personen – ließen sich die Freude am Olympia sehr ähnlichen Event nicht nehmen. Gut 10.000 Sportlerinnen und Sportler aus 109 Nationen wetteiferten, wohnten und aßen miteinander, zum Teil auf engstem Raum. Dazu kamen 230.000 freiwillige Helfer. Über die Hygiene, sagt Bonek, gab es nichts zu meckern. Und dennoch waren die Militärweltspiele wie jede Veranstaltung dieser Art auch prädestiniert für die Ausbreitung einer Infektion.

Die Orientierungsläufer reisten am 24. Oktober zum Weltcup in Foshan, ebenfalls China, weiter. Am 30. Oktober brach Bonek mit drei Kollegen aus dem österreichischen Team zu einem Urlaub nach Thailand auf. Am 2. November, die Gruppe war in Phuket gelandet und dann nach Norden gereist, wurde Bonek krank. Er hatte erst nur leichtes Fieber, hatte Halsschmerzen und fühlte sich schwach. Drei Tage lang schien sich sein Zustand zu bessern, dann stieg das Fieber deutlich.

Bonek hustete stark. Im Spital der Kleinstadt Takua Pa wurde ihm eine Grippe mit Lungenentzündung diagnostiziert. Wenig später brachte ein Grippeschnelltest ein negatives Ergebnis, kam der Verdacht einer Infektion mit Denguefieber auf. Die Gruppe kehrte nach Phuket zurück, in einem Spital der Insel wurde Bonek am 9. November auch negativ auf Dengue getestet. Der junge Athlet verwarf den Gedanken, seine Rückholversicherung in Anspruch zu nehmen. Am 14. November kehrte er regulär nach Wien zurück. "Ich war gesund. Und die drei Kollegen waren nie krank." Vier Tage später beruhigte ihn zusätzlich eine Lungenfachärztin.

Es gab etwas

Im Rückblick ist Bonek "ziemlich sicher, dass es dort in Wuhan etwas gab. Ob es Corona war, weiß ich nicht.". Er hörte von vielen Athleten, die nach ihrer Heimkehr erkrankt waren. Der Gedanke, dass es möglicherweise eine glückliche Fügung war, nicht gleich zurück nach Österreich zu seiner Familie gereist zu sein, kommt Bonek dieser Tage bei aller Zurückhaltung schon. Das Ergebnis eines Antikörpertests würde ihn interessieren. Sich wie andere zur Behauptung zu versteigen, die Militärweltspiele in Wuhan seien quasi der Urknall der Corona-Pandemie gewesen, käme ihm nicht in den Sinn. (Sigi Lützow, 9.5.2020)