Foto: Luzifer Verlag

Der eine oder andere hier dürfte die "Honest Trailers" auf dem YouTube-Kanal der Screen Junkies kennen, in denen Filme – in der Regel hochbudgetierte Genrewerke – treffsicher veräppelt werden. Dafür konzentrieren sie sich nicht auf das, was die Filme nach Meinung von deren Machern auszeichnet. Sondern auf das, was sie tatsächlich prägt – obwohl es vielleicht ganz unbeabsichtigt zustande gekommen ist. Der Trailer zu Alister Hodges "The Cavern" würde garantiert einen Count all der aufgestellten Nackenhaare, Gänsehäute und zusammengezogenen Mägen enthalten. Bei diesen Formulierungen wiederholt sich der australische Autor doch recht häufig. Ansonsten kann man Hodge nichts vorwerfen, er liefert hier passablen Monster-Horror ab.

Die Umkehrung des Dschungelcamps

Zur Handlung: Auf einer Schaffarm im australischen Outback ist die Decke einer Kalksteinhöhle eingebrochen, und plötzlich hat man Zugang zu einem ausgedehnten Höhlensystem inklusive unterirdischem See. Rasch ist ein Caver-Pärchen vor Ort, um die neue Attraktion zu erkunden. Der Tod in Form eines hungrigen Monsters folgt auf dem Fuße. Hier ein kleiner Vorgeschmack:

Die Lampen am Ufer beleuchteten die Kreatur, als sie sich vor Jim aufrichtete und mit gespreizten Hautlappen hypnotisierend hin und her wiegte. Blitzschnell schlug sie zu und nadelartige Zähne pflückten sein Auge mit einer flinken Bewegung aus seiner rechten Augenhöhle. Er schrie, als sein Augapfel vor seinem verbleibenden Auge zerkaut und verschlungen wurde, der Schmerz wie ein glühender Schürhaken in seinem Gehirn.

Nachschub ist schon unterwegs

Nach diesem Appetizer lernen wir die eigentliche Hauptfigur kennen: Sam, einen Sanitäter und gelegentlichen Extremsportler. Beim Klettern hat er seine aktuelle Freundin Ellie, eine Geologin, getroffen. Und um sie näher kennenzulernen, lässt er sich dazu überreden, sich ihrem Caver-Team anzuschließen. Das ist schon ganz begierig darauf, in die neue Höhle abzusteigen.

Schlechte Idee. Denn auch ohne vom grausigen Tod ihrer Vorgänger zu wissen, mangelt es unseren wackeren Pionieren nicht an warnenden Vorzeichen. In dem kleinen Provinzkaff nahe der Höhle kursiert die Legende von der Minenmutter, einem räuberischen Wesen, das sich unter der Erde herumtreibe. Und wir erfahren auch, dass die Gegend einst durch den Opal-Bergbau eine Blütezeit erlebte, bis dieser aus unbekannten Gründen (...) wieder eingestellt wurde.

Geblieben sind von der damaligen Zeit jede Menge Minenschächte und versteckte Einstiege an der Oberfläche. Obwohl der Roman großteils auf ein klaustrophobisches Setting à la "The Descent" setzt, sollten sich also auch diejenigen nicht zu sicher fühlen, die an der Oberfläche bleiben. Außerdem müssen wir bald zur Kenntnis nehmen, dass sich da auch der eine oder andere Mensch mit mörderischer Absicht herumtreibt.

Schockeffekte

Aufgrund der zahlreichen Verbindungsstollen im Höhlensystem gelingen dem Monster fast so viele Überraschungsauftritte wie der Beistrichsetzung in der deutschsprachigen Ausgabe. Womit wir beim größten Manko von "The Cavern" wären, für das der Autor selbst allerdings nichts kann. Eine Übersetzung mit ein paar Fehlern weniger (Die Kreatur schlug mit seinen kräftigen Muskeln ...) wäre schön gewesen. Und ein Verbrecher kann das Corpus Delicti übrigens auch nicht auf dem Grund eines Damms entsorgen, außer er nimmt sich sehr viel Zeit zum Graben. Eine zweite Lesung könnte die Hast der ersten wieder ausbügeln, und zumindest die E-Book-Version ließe sich ja nachbessern.

Alister Hodge kommt wie seine Hauptfigur aus dem medizinischen Bereich, was man Passagen, in denen es um Erstversorgung geht, auch anmerkt. 2018 hat ihn dann auch der Autorenfleiß gepackt. Seitdem hat er unter anderem die – komplett konventionelle, aber dennoch sehr spannende – Zombie-Trilogie "Plague War" veröffentlicht. Die gibt's bisher allerdings nur auf Englisch.

Insgesamt gehört Hodge eher der "naturwissenschaftlichen" Horror-Schule an, jedenfalls nicht der übernatürlichen. Das Monster in "The Cavern" hat zwar einige seltsame Eigenschaften, und auch seine jahrzehnteübergreifenden Aktivitätsmuster werfen Fragen auf. Für alle vermeintlichen Unstimmigkeiten wird es im Verlauf des Romans aber noch Erklärungen geben. Und Ehre, wem Ehre gebührt, das ist bei einer kleinen Horror-Zwischenmahlzeit wie dieser keineswegs selbstverständlich!