Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat bereits am Dienstag die Gedenkstätte besucht.

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Zuseher aus 23 Ländern der Welt waren dabei.

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Mauthausen – In neuer Form hat heuer die traditionelle Befreiungsfeier des KZ Mauthausen stattgefunden: Just zum 75. Jahrestag wurde das Gedenken Corona-bedingt nicht am ehemaligen Appellplatz abgehalten, sondern – wie bereits zuvor das "Fest der Freude" – ins Internet verlegt. Zuseher aus 23 Ländern der Welt waren dabei. Nächstes Jahr findet die Feier am 16. Mai statt.

Zwischen 1938 bis 1945 waren in Mauthausen und seinen 49 Nebenlagern rund 200.000 Menschen interniert, etwa die Hälfte von ihnen überlebte die NS-Vernichtungsmaschinerie nicht. Seit Kriegsende wird der Befreiung des KZ am 7. Mai durch US-Truppen jedes Jahr gedacht. Zur größten KZ-Befreiungsfeier weltweit kommen üblicherweise Tausende Gäste aus aller Welt, darunter auch – mittlerweile hochbetagte – Überlebende des Todeslagers. Die heuer virtuell abgehaltene Feier, die das Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ) mit seiner Partnerorganisation Comité International de Mauthausen organisiert hat, stand unter dem Thema "Menschlichkeit ohne Grenzen".

Statements von Zeitzeugen

Vieles an der Feier folgte den traditionellen Usancen – vom Verlesen eines Auszugs aus dem Mauthausen-Schwur in vielen Sprachen über die Präsentation durch die Schauspielerinnen Mercedes Echerer und Konstanze Breitebner bis zur "Hymne" der ehemaligen Insassen, dem Lied "Die Moorsoldaten". Viel stärker kamen in dem neuen Format aber die Zeitzeugen zu Wort. Das Konzept, dass sie Statements beisteuern, will man auch künftig beibehalten.

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Daniel Chanoch etwa, der in vielen Lagern interniert war und 1945 in Gunskirchen befreit wurde, mahnte: "Stoppt Rassismus, Faschismus und Antisemitismus, damit sich so etwas nicht wiederholt!". Shaul Spielmann, der seit 75 Jahren in Israel lebt und regelmäßig zu den Feierlichkeiten kommt, sagte, er hoffe, nächstes Jahr wieder die Möglichkeit zu haben, nach Mauthausen und auch zum Fest der Freude nach Wien anzureisen. Die Zeitzeugin Liliana Segre hofft, dass "das Bewusstsein über das, was geschehen ist, als Impfstoff gegen das dienen kann, was es hervorgebracht hat". Der KZ-Überlebende Aba Lewit betonte die Bedeutung der Arbeit des Mauthausen Komitees, "denn es gibt fast keine überlebenden Zeitzeugen mehr".

Über "Grenzen, Zäune und Menschlichkeit"

Wie wichtig die einzelnen Schilderungen der Opfer sind, betonte auch der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG), Oskar Deutsch: "Gedenken funktioniert nicht mit Statistik", jeder Tote habe eine Familie und eine Geschichte. "An der Wurzel von Terror und Barbarei steht nicht selten die Anmaßung von absoluter Macht über Leben und Tod" und die Verachtung von anderen, sagte der katholische Linzer Diözesanbischof Manfred Scheuer. Und der evangelische Bischof Michael Chalupka betonte, "die Täter dürfen nicht das letzte Wort haben".

Eine virtuelle Feier "kann keine würdige Alternative sein", so Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen Komitee Österreich, angesichts des neuen Formats, aber es sei die beste Möglichkeit gemeinsam zu gedenken. "Der Erfolg der Nationalsozialisten war nur möglich, weil es ihnen gelungen ist, Grenzen zwischen Menschen zu ziehen. Verhaftungen und Deportationen waren die Konsequenz", betonte er und mahnte, dass durch das Coronavirus aktuell die Debatte "über Grenzen, Zäune und Menschlichkeit" in den Hintergrund getreten sei.

Kranzniederlegung

David Sassoli, Präsident des Europäischen Parlaments, wandte sich an die Jugend Europas. Er rief sie auf, derer zu gedenken, "die in diesem Lager ihr Leben verloren haben, die für eine bessere Welt gekämpft haben, die für die Werte von Freiheit und Gerechtigkeit eingetreten sind."

Im Vorfeld er virtuellen Feier legten Vertreter des Mauthausen Komitee Österreich (MKÖ), der Österreichischen Lagergemeinschaft Mauthausen (ÖLM) und des Comité International de Mauthausen (CIM) in der KZ-Gedenkstätte einen Kranz nieder. Für das offizielle Österreich hat das Bundespräsident Alexander Van der Bellen bereits am Dienstag getan.

Van der Bellen: "Niemals wieder"

Bei der Befreiungsfeier am Sonntag sagte der Bundespräsident: "Niemals wieder!" bedeute heute, keine Toleranz gegenüber Rassismus und Antisemitismus zu zeigen. "Mauthausen ist nicht vom Himmel gefallen. Der Holocaust war der grausame Endpunkt", so der Bundespräsident. Am Anfang seien "das Schweigen, das Wegschauen, als Antisemitismus und Rassismus ihre hässliche Fratze zeigten und schleichend von der Gesellschaft Besitz ergriffen", gestanden.

Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) betonte: "Wir sind es den Opfern des Holocaust schuldig, die Erinnerung an sie zu bewahren. Wir haben sechs Millionen Gründe zu gedenken." Die Zweite Präsidentin Doris Bures (SPÖ) zitierte den Schriftsteller Primo Levi: "Schweigen ist ein Fehler, fast ein Verbrechen." Diese Worte würden damals wie heute gelten.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sieht es auch nach 75 Jahren als "unsere Pflicht, sich an die unvorstellbaren Gräueltaten und Verbrechen, die im Nationalsozialismus begangen wurden, zu erinnern. Wir erinnern uns daran, dass Österreicherinnen und Österreicher nicht nur Opfer, sondern auch Täterinnen und Täter waren." Nur wer sich erinnere, könne aus den Fehlern der Vergangenheit lernen, so Kurz. "Das KZ Mauthausen war Teil des von den Nationalsozialisten industriell betriebenen Massenmordes. Nur, wenn wir die Erinnerung hochhalten, schaffen wir die Voraussetzung dafür, dass wir und kommende Generationen in einer demokratischen und antifaschistischen Welt leben können", betonte Vizekanzler Werner Kogler (Grüne). (APA, 10.5.2020)