Um den Fokus zu verändern, hilft die WIDEG-Frage von Viktor Frankl: "Wofür ist das eine Gelegenheit? Was gilt es gerade jetzt zu lernen? Welche Stärken und neuen Wege zu entwickeln?"

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Gesundheitliche Sorgen, räumliche Enge, Kinderbetreuung zu Hause, Homeoffice, Kurzarbeit bis hin zu Jobverlust führen zu Müdigkeit, Unsicherheit und Ungewissheit über die Zukunft, was Beruf und Familie betrifft. Die Arbeit bleibt für viele die letzte kontrollierbare Konstante im aktuellen Chaos, und gerne stürzen wir uns hinein, um uns abzulenken und die eigene Selbstwirksamkeit zu spüren. Gleichzeitig werden schon erste Erwartungen von Führungskräften oder Geschäftsführern formuliert: Restart nach der "Pause" – möglichst schnell, effektiv und gewinnbringend.

Es ist jetzt unabdingbar, nachhaltige Strategien zu entwickeln, um das Immunsystem der Gesellschaft zu kräftigen und um die Weichen in den nächsten Wochen in die entsprechende Richtung zu stellen. Besonders in Zeiten von Krisen und großen Veränderungen lohnt sich ein Blick auf die mentalen und psychischen Erfolgsfaktoren von Menschen und Teams in Unternehmen. Welches Verhalten, welche Fähigkeiten, Werte oder Glaubenssätze sind es denn, die den Unterschied machen? Warum kommen die einen aus Krisen gestärkt und innovativ heraus, und warum zerbrechen andere daran?

Zukunft beginnt ja bekanntlich in unserem Kopf und kann somit weitergesponnen als ein Produkt unserer inneren Bilder betrachtet werden. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass speziell mental starke und lösungsorientierte Menschen einen großen Anteil an der Gestaltung einer positiven Zukunft haben.

Auf Krisen vorbereitet sein

Resilienz ist ein Modebegriff geworden, der im wirtschaftlichen Kontext oft benutzt, jedoch gerade dort nicht in seiner Vielschichtigkeit konkretisiert wird. Resilienz bezeichnet die Fähigkeit einer Gesellschaft, sowohl im Großen (Unternehmen) als auch im Kleinen (der Mitarbeiter, der Mensch an sich) auf unausweichliche Krisen und kritische Situationen vorbereitet zu sein. In den letzten Jahrzehnten sind uns solche (Wirtschaftskrise, Flüchtlingskrise, Klimakrise, Corona-Krise) immer wieder global begegnet, mit teils gravierenden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und persönlichen Auswirkungen.

Wir verdanken der Forschung rund um die US-amerikanische Entwicklungspsychologin Emmy Werner die Erkenntnis, dass es spezifische mentale Faktoren sind, die widerstandsfähige Menschen von anderen unterscheiden:

· die Kunst der teils radikalen Akzeptanz der Realität,

· ein tiefer, von starken Werten gestützter Glaube, dass das Leben allen Widrigkeiten zum Trotz sinnvoll ist, und

· eine außerordentliche Fähigkeit, zu improvisieren und innovativ zu denken.

Dieselben Eigenschaften gelten im gleichen Maße für belastbare Organisationen. Diese begegnen der Realität mit Beständigkeit, schöpfen Wert aus der Notlage, anstatt verzweifelt zu verharren, improvisieren und arbeiten schnell an neuen Lösungen.

Die entscheidende Frage stellen

Die Ziel- und Lösungsorientierung ist es auch, von der viele sportlich, wirtschaftlich und gesellschaftlich "erfolgreiche" Menschen profitieren. Den Blick zurück braucht es für eine kritische Analyse, danach wird er wieder nach vorn gerichtet für die Gestaltung der Zukunft. Um den Fokus zu verändern, hilft die WIDEG-Frage von Viktor Frankl: "Wofür ist das eine Gelegenheit? Was gilt es gerade jetzt zu lernen? Welche Stärken und neuen Wege zu entwickeln?" Genau diese mentale Agilität lässt uns im entscheidenden Moment kreativ werden und mit innovativen Ideen die – sich immer neu verändernde – Realität von Menschen und Unternehmen prägen.

Was müssen Menschen und Unternehmen jetzt tun? Es ist jetzt essenziell, den eigenen Blick und das Fingerspitzengefühl zu schärfen, um Trends zu erkennen, Ressourcen zu prüfen und rechtzeitig proaktive Veränderung zu steuern. Dies kann nur gelingen, wenn die Balance zwischen persönlichem Wachstum und wirtschaftlichem Wachstum nachhaltig gewährleistet ist.

Die gute Nachricht: Mentale und resiliente Strategien sind erlernbar und können in Unternehmen kultiviert werden. "The difference that makes the difference", wie schon Emmy Werner feststellen konnte, liegt zuallererst beim Thema Verantwortung übernehmen. Als Unternehmen, als Führungskräfte, als Mitarbeiter und Menschen – jetzt heißt es raus aus der reaktiven Fremdbestimmung und rein in die proaktive, zukunftsorientierte Eigenverantwortung – und die beginnt mit einem ehrlichen und kritischen Blick in den Spiegel. (Katharina Janauschek, 9. 5.2020)