Sie sei überrascht gewesen vom Wiener Polizeiaufgebot, sagt eine Betreuerin. Doch auch bei der Abfahrt in Rumänien seien schon Beamte vor Ort gewesen.

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Ganz langsam, tröpfchenweise, spuckt der Nachtzug Betreuerin für Betreuerin aus, hin und wieder auch einen Betreuer. Zwölf Stunden waren sie im Zug, nun werden sie am Flughafenbahnhof Schwechat von einem massiven Aufgebot an Polizei, Security-Kräften und Journalisten empfangen. Die Pflegekräfte aller Altersklassen hieven ihre großen Koffer auf den Bahnsteig, die Gesichter hinter den Masken sehen müde aus.

Um 8 Uhr morgens kam der Zug in Schwechat an.
DER STANDARD/APA

80 Personen kamen am Montagmorgen in dem medial breit diskutierten Pflegerinnensonderzug aus dem rumänischen Temeswar an. Und damit nur ein Viertel der Anzahl, die ursprünglich geplant war. Ging etwas schief?

Die Zugfahrt an sich lief tadellos, wie Montagmorgen alle Beteiligten betonen: die Wirtschaftskammer (WKO) und die ÖBB, die die Fahrt organisierten, sowie Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), die sie dank bilateraler Gespräche ermöglichte. Punktgenau kam der Zug an, ruhig sei die Fahrt gewesen, sicher habe man sich gefühlt, erzählen auch 24-Stunden-Betreuerinnen, die drinsaßen. Was all dem vorausging, jener Part, der weniger reibungslos lief, ist bekannt: Eine voreilige Verkündigung des Zugkorridors Edtstadlers hatte zu Unmut in Rumänien geführt, wodurch man erst eine Woche später als geplant zu einer Lösung fand.

Bei der WKO erklärt man sich die geringe Auslastung damit, dass das Buchungsfenster recht klein war, immerhin war erst zwei Tage vor Aufbruch des Nachtzugs gen Osten klar, dass er das darf. Alles, was neu anlaufe, brauche Zeit, ist die Argumentation Edtstadlers.

Normalität gewünscht

Nach und nach ziehen die Betreuerinnen ihre Koffer den Bahnsteig entlang, auf dem normalerweise Reisende aus dem City Airport Train in Richtung Abflughalle marschieren. Noch auf dem Bahnsteig messen Mitarbeiter der Johanniter mit Gesichtsvisier und Plastikschürze die Temperatur der Ankommenden, auch in Rumänien gab es bereits einen Gesundheitscheck. Alles sei "diszipliniert" vonstattengegangen, heißt es von den ÖBB.

Weitere Züge sind geplant, schon am Dienstag soll einer auch Pflegekräfte zurück nach Rumänien bringen, nachdem viele schon seit Monaten durcharbeiten. Allerdings gebe es auch für diesen erst 50 Buchungen, heißt es von der WKO, ebenso wie für die nächste Fahrt von Temeswar nach Schwechat am Mittwoch.

In der Betreuungsbranche hingegen wird die Forderung nach Normalität laut: Viele dort Tätige wünschten sich, wieder mit den Minibussen, mit denen sie normalerweise anreisen, fahren zu können, erzählt Betreuerin Hajnalka Antal, die eine Facebook-Gruppe koordiniert, in der sich Kolleginnen austauschen. Die seien günstiger und unkomplizierter als Sonderzüge und Charterflüge. Antal fordert einen Gesundheitspass für Betreuungskräfte, der ihnen den Grenzübertritt erleichtern würde.

280 Euro kostete die Anreise samt Test und einer Übernachtung im Hotel, bis das Ergebnis vorliegt. "Wir gehen davon aus, dass Familien oder Agenturen diese Kosten tragen", heißt es von einer Sprecherin der WKO, der Buchende müsse für die Kosten haften. Die Länder Steiermark und Burgenland kündigten an, sich zu beteiligen.

Hürden beim Härtefallfonds

Eine Betreuerin, die mit im Zug war, erzählt jedoch von Kolleginnen, deren Klienten nicht bereit wären, die Kosten zu übernehmen. "Wir haben jetzt zwei, drei Monate nicht gearbeitet, und dann sollen wir herkommen und all das zahlen? Das geht nicht", sagt sie. Außerdem seien viele Frauen gezwungen, den Vermittlungsagenturen Inkassovollmachten zu unterschreiben, sagt Flavia Matei, die als Teil der Aktivistengruppe D.R.E.P.T. ebenfalls mit einem Willkommensplakat in der Hand auf dem Flughafengelände steht. Diese Verträge ermöglichen Agenturen, die Kosten abzuwälzen.

Um die entgangenen Einnahmen abzufedern, soll den Betreuerinnen der neue Härtefallfonds zur Verfügung stehen. Nur: Viele haben keinen Zugriff darauf. Zwar wurden die Richtlinien abgeändert, sodass sie keinen Einkommensteuerbescheid mehr brauchen und unkompliziert eine Steuernummer lösen können, wie es aus dem Finanzministerium zum STANDARD heißt, doch die Bedingung eines inländischen Kontos – das viele Betreuerinnen aus dem Osten nicht haben – bleibt. Es gehe dabei darum, "Zahlungseingänge nachzuvollziehen", so ein Sprecher.

In einem offenen Brief wandten sich am Wochenende mehrere hundert Betreuerinnen aus verschiedenen Ländern an Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), sagt Antal, eine der Initiatorinnen. Darin kritisieren sie die übermäßige Bürokratie der Anträge. Sie fordern, dass das Formular überprüft wird, damit Förderwerber nicht länger vom Fonds ausgeschlossen werden.

Keine Quarantäne für alle

Vom Bahnsteig weg werden die Ankommenden von Polizeibeamten über Rolltreppen und Zebrastreifen zum nahe gelegenen Hotel geleitet. In gut 24 Stunden soll das Testergebnis vorliegen. Wer negativ ist, kann zur Arbeit, wer positiv ist, muss in Quarantäne. Wer die 14 Tage im Hotel bezahlt, ist unklar. Doch zumindest müssen nun nicht, wie ursprünglich geplant, alle Frauen, die sich ein Abteil teilten, isoliert werden, falls eine infiziert ist. Weil so wenige den Zug gebucht hatten, schliefen die meisten allein. (Gabriele Scherndl, 11.5.2020)