Henriette (Birte Schnöink) hat in Jessica Hausners "Amour Fou" längst die Hoffnung aufgegeben. Fürs Filmschaffen von Frauen schaut es besser aus.

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Ganz so trist, wie es Birte Schnöinks Gesichtsausdruck auf dem Filmstill aus Jessica Hausners Amour Fou vermuten lässt, ist die Lage ja nicht. Laut Film Gender Report 2018 lag der Regisseurinnenanteil bei Filmen, die zwischen 2012 und 2016 in die Kinos kamen, zwar nur bei 21 Prozent; im Gegensatz zu früher ist das aber eine beachtliche Steigerung. Die Richtung stimmt, auch wenn sich die Filmrolle nur langsam dreht.

Valie Export, die dieser Tage ihren 80. Geburtstag feiert, würde über die Zahl sicher nur müde lächeln. Bereits in den späten 1980ern forderte sie als Mitbegründerin der "Aktion Filmfrauen" gewohnt radikal, den Anteil von weiblichen Mitgliedern in Vergabegremien von null auf 100 Prozent anzuheben und nach fünf Jahren auf 50 Prozent zu senken, wie die Herausgeberin des Sammelbandes Eine eigene Geschichte, die Filmkritikerin Isabella Reicher, gleich im Vorwort zum Buch berichtet.

Die Forderung der "Aktion Filmfrauen", die natürlich nicht umgesetzt wurde, war eine Reaktion darauf, dass unter den 100 vom damaligen ÖFF (Österreichischer Filmförderungsfonds) unterstützen Filmen nur drei Filme von Frauen waren, einschließlich eines Films von Export selbst.

Die Qualitäten im Fokus

Natürlich kommt ein Buch, das sich mit dem Filmschaffen von Frauen beschäftigt, nicht ohne solche ernüchternden Zahlen aus – immerhin sind die äußeren, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände ein wichtiger Puzzlestein zum Verständnis, warum es gewisse Filme gibt – und warum es so viele Filme, gerade von Frauen, nicht gibt. Eine eigene Geschichte fokussiert aber auf die Qualitäten der österreichischen Filmemacherinnen und ihre Arbeit. Das Buch ist eine Hommage an jene, die sich trotzdem durchsetzten.

Das Jahr 1999 ist ein sinniger Startpunkt für die 34 Texte starke Publikation. Damals feierte Barbara Alberts Film Nordrand seine Weltpremiere im Wettbewerb in Venedig, gleichzeitig wurde die sogenannte "Nouvelle Vague Viennoise", zu der neben Albert unter anderem auch Jessica Hausner, Kathrin Resetarits oder Mirjam Unger gezählt werden, ausgerufen. Kurzweilige Werkschauen und thematische Artikel machen ihren Großteil aus, garniert mit dem ein oder anderen Interview und Roundtable – hier kann es dann etwas insiderisch und üppig werden, allerdings auch sehr erhellend und unterhaltsam, wenn bei einem Gespräch mit der Sounddesignerin Veronika Hlawatsch, der Kamerafrau Leena Koppe, der Kostümbildnerin Ingrid Leibezeder und der Editorin Karina Ressler einmal nicht nur Regisseurinnen zu Wort kommen.

Frauenfilm gibt es nicht

Was Eine eigene Geschichte nicht liefert und auch nicht liefern will, ist Filmkritik oder Wertung im engeren Sinne; der Band möchte viel mehr Lust machen, die Arbeiten anzuschauen und sich auf Basis des neuen Hintergrundwissens selbst ein Bild zu machen.

Zum Glück wird hier auch nicht versucht, über den Umweg des Geschlechts inhaltliche Verbindungen herzustellen, die es nicht gibt. Nach dem Motto: In Filmen von Frauen kommen diese und jene Motive öfters vor.

Klarerweise spielen in Filmen von Frauen die Frauen oft im wahrsten Sinne des Wortes größere Rollen, und freilich haben auch viele der vorgestellten Arbeiten über Genregrenzen hinweg einen dezidiert feministischen Hintergrund. Dennoch sind es immer die Eigenheiten der jeweiligen Filmemacherinnen, die dieses Buch auszeichnen und zu einer so diversen Rundumschau, die sowohl Spielfilm als auch Dokumentarfilm, Animation und vieles mehr beachtet, machen. (Amira Ben Saoud, 12.5.2020)