Heimische Betriebe versuchen sich durch die Krise zu schlagen – und fühlen sich von der Regierung dabei im Stich gelassen.

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Die Stimmung unter Österreichs Selbstständigen ist am Kippen. Vor mehr als sieben Wochen hat die Regierung ihren Corona-Rettungsschirm vorgestellt, darunter auch den Härtefallfonds für Kleinstunternehmer. Der erste Zuschuss von bis zu tausend Euro sei längst verbraucht, seither ist in den meisten Fällen kein Geld mehr geflossen, klagen Antragssteller. Mieten, Löhne und Lebenshaltungskosten mussten bislang aus Rücklagen bezahlt werden – so diese überhaupt noch vorhanden waren.

Der Härtefallfonds sei nur für persönliche Fixkosten da, heißt es bei der Wirtschaftskammer (WKO). Laufende Kosten im Betrieb sollten eigentlich über den Corona-Hilfsfonds bestritten werden. Aber auch die Mühlen der Förderbank AWS (Austria Wirtschaftsservice), über die Garantien abgewickelt werden, mahlen langsam. Außerdem sind viele Banken bei Krediten zurückhaltend. Das bedeutet, dass zahlreiche Selbstständige auch nach Wochen – bis auf den Tausender aus der ersten Phase – noch keinen Cent erhielten, weder als Zuschuss noch als Kredit.

Die Bedingungen für Corona-Hilfen würden ständig geändert werden, das Geld fließe nur langsam, klagen Unternehmer.
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"Die Situation ist fatal", erzählt die Unternehmensberaterin Sonja Lauterbach. "Offenbar hat keiner der Verantwortlichen das Wesen der Einnahmen-Ausgaben-Rechnung verstanden." Die Regierung habe bei der Konzeption die Praxis komplett ignoriert, sagt Lauterbach, die wirtschaftliche Relevanz von Klein- und Mittelbetrieben sei Türkis-Grün nicht geläufig.

Der Bereich ist durchaus groß, wie Ökonomen der Universität Wien errechnet haben: Demnach erwirtschaften die rund 300.000 Unternehmen mit bis zu neun Mitarbeitern knapp 40 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung. Zudem sorgen sie mit mehr als 720.000 Erwerbstätigen für ein knappes Viertel der Beschäftigung, schreiben die Volkswirte: Heimische Kleinstunternehmen würden jedenfalls eine "durchaus makroökonomisch relevante Größe" darstellen. Die Forscher haben sich außerdem unter den Selbstständigen umgehört, die Stimmung ist schlecht. So beurteilten über 60 Prozent der rund 1.200 befragten Unternehmer den Härtefallfonds mit "Nicht genügend".

Nach wie vor zu wenig Geld

Dieses Bild kann Lauterbach bestätigen. Damit sich Kleinbetriebe austauschen können, hat die Unternehmerin im März eine Facebook-Gruppe gegründet. Mittlerweile haben sich 7000 Personen der losen Initiative angeschlossen und einen Forderungskatalog ausgearbeitet. Darin verlangen die Unternehmer unter anderem einen Ausgleich auf Basis des Branchenumsatzes. Lauterbach berichtet von Selbstständigen, die im ersten Monat der zweiten Phase – abzüglich des ursprünglichen Tausenders – eine Förderung von 30 Euro zugesagt bekamen – und weiter vor dem Nichts stehen.

Zudem würden Richtlinien für die Hilfen häufig verändert, sagen Betroffene. Jene für den Härtefallfonds wurden Anfang Mai adaptiert, Unternehmer können nun drei aus sechs Monaten auswählen, für die sie den Zuschuss erhalten möchten. Von einer "Ausweitung" könne keine Rede sein, sagt Lauterbach: "Es wurden weitere drei kleine Zeitfenster hinzugefügt, das reduziert die Zahlungen aus dem Fonds um die Hälfte." Wann Kunden Rechnungen bezahlen, würde zum "Glücksspiel" werden.

Bei Wirten herrscht noch Sperrstunde. Viele warten nicht nur auf die Öffnung, sondern auch auf Zusagen der Bank.
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Zudem sei die Berechnungsmethode undurchsichtig, berichtet Harald Sturm, der eine Werbeagentur leitet. Offenbar sorgen die vielen Änderungen auch bei der WKO, die für die Abwicklung des Fonds zuständig ist, für Unklarheit. Der Unternehmer hat sich in einem Workshop mit Steuerberatern über die Mittel, die ihm zustehen, informiert – und dort eine klare Antwort erhalten. Die Finanz bestätigte schließlich einen Betrag, der um ein Fünftel niedriger war. Darauf wandte sich Sturm noch einmal an die Steuerexperten – diese wie auch die WKO bestätigten den ursprünglich errechneten Betrag. Bei der zuständigen WKO-Beratungsstelle erklärte man die Differenz später damit, dass wohl ein Richtliniendetail übersehen wurde.

Banken warten mit Krediten ab

Auch Lauterbach erzählt davon, im Kreis geschickt zu werden und abweichende Informationen zu erhalten. Die WKO würde auf das Wirtschaftsministerium verweisen, dieses wiederum auf das Finanzamt. Zwar wurden Unternehmern Stundungen von diversen Beiträgen angeboten, das würde das Problem aber nur nach hinten verschieben, sagen Betroffene. Hinzu kommen, wie erwähnt, Probleme bei den Krediten. Auch Sturm hat bereits zwei AWS-Anträge gestellt – den ersten Mitte März. Nach Wochen hat er nun von der Bank erfahren, dass er einen wesentlich kleineren Kredit bekommen wird als beantragt. Geld ist noch immer keines geflossen.

Laut WKO wurden jedenfalls bereits erste Mittel aus der Phase zwei ausgezahlt. Wie viele Anträge bisher abgearbeitet wurden, ist noch nicht bekannt. Aktuelle Zahlen soll es im Laufe der Woche geben. Hinter vorgehaltener Hand heißt es, dass das Geld aus der zweiten Phase wohl schneller geflossen wäre, hätte es nicht weitere Änderungen gegeben. Immerhin musste deshalb das System wieder umgestellt werden. (Nora Laufer, 12.5.2020)