Solidaritätsprotest für eine Gruppe von Motorrad-Demonstranten, die Gerechtigkeit für den getöteten 25-jährigen Ahmaud Arbery fordern.

Foto: AFP Sean Rayford

Keisha Lance Bottoms, die Bürgermeisterin von Atlanta, der Metropole des Bundesstaats Georgia, kam schnell zum Punkt, als sie dem Sender CNN am Sonntag ein Interview gab. "Es ist das Jahr 2020, und das war ein Lynchmord an einem afroamerikanischen Mann", sagte sie. Sie habe vier Kinder, drei davon seien Söhne, fügte sie hinzu. "Sie sind wütend, und sie haben Angst." Und, sagte die aufstrebende Politikerin noch, wäre dieses Video nicht aufgetaucht, über zwei Monate nach der Tat, "glaube ich nicht, dass die Täter jemals angeklagt worden wären".

Aufgenommen mit einer Handykamera, zeigt das Video, wie ein junger Schwarzer auf einer stillen Vorortstraße joggt, durch Satilla Shores, eine beschauliche Siedlung am Rande von Brunswick, einer Stadt im Südosten von Georgia. Ahmaud Arbery, 25 Jahre alt, kommt an jenem 23. Februar bis zu einem Pick-up, neben dessen geöffneter Fahrertür ein Bewaffneter auf ihn wartet, in den Händen eine Schrotflinte. Er versucht auszuweichen, läuft rechts an dem Fahrzeug vorbei, für kurze Zeit verschwindet er aus dem Bild, während ein Schuss zu hören ist.

Als er wieder auftaucht, rangelt er mit dem Mann, der sich ihm in den Weg gestellt hat. Auf der Ladefläche des Trucks ist ein zweiter Bewaffneter zu sehen, der offenbar versucht, mit einer Pistole auf ihn zu zielen. Zwei weitere Schüsse sind zu hören, dann stürzt Arbery zu Boden. Die beiden weißen Männer, die ihn getötet haben, sind Gregory McMichael, ehemals Polizist und Ermittlungsbeamter, auf der Ladefläche des Trucks postiert, und dessen Sohn Travis. Beide leben in Satilla Shores, wo Arbery, zu Hause in Brunswick, laut Angaben von Verwandten und Freunden oft seine Joggingrunden zieht.

Nicht einmal festgenommen

In dem jungen Schwarzen, wird McMichael senior später zu Protokoll geben, glaubten sie einen Verdächtigen zu erkennen, auf dessen Konto zwei Einbrüche in ihrem Viertel gegangen sein könnten. Die erste Bezirksstaatsanwältin, die den Fall übernimmt, erklärt sich bald für befangen. Gregory McMichael hatte bis zu seiner Pensionierung im vergangenen Jahr lange für ihr Büro gearbeitet. Wie der Landrat Allen Booker der Zeitung "Atlanta Journal-Constitution" sagte, gab Jackie Johnson den Polizisten, die zum Tatort geeilt waren, Anweisung, niemanden festzunehmen. Sie habe Gregory McMichael schützen wollen, glaubt Booker.

Ein zweiter Staatsanwalt, George Barnhill, übernimmt die Nachforschungen – aber nur, um sie nach ein paar Wochen ebenfalls wegen potenzieller Interessenkonflikte aus der Hand zu geben. Sein Sohn habe mit dem Detektiv McMichael zusammengearbeitet, begründet er und betont zugleich, dass er McMichael für unschuldig halte. Beide seien einem Einbruchsverdächtigen auf den Fersen gewesen, schrieb er in einer inzwischen publik gewordenen E-Mail. Sie hätten versucht, ihn anzuhalten und solange in Gewahrsam zu nehmen, bis Polizeikräfte eingetroffen wären: "Nach den Gesetzen Georgias ist das vollkommen rechtmäßig".

Ihre Waffen hätten beide legal getragen, zudem hätten sie von ihrem Recht auf Notwehr Gebrauch gemacht. Das alles weckt Erinnerungen an den Tod des schwarzen Teenagers Trayvon Martin im Februar 2012 in Sanford in Florida. Verfolgt von dem "freiwilligen Nachbarschaftswächter" George Zimmerman, der ihn angeblich für einen Kriminellen hielt, während er von einem Supermarkt zur Wohnung seines Vaters ging, wurde er bei einer Rauferei erschossen. Eine Geschworenen-Jury sprach Zimmerman frei. In Georgia wären die Ermittlungen wohl im Sande verlaufen, de facto blockiert von lokalen Seilschaften, wenn nicht vergangene Woche ein Video aufgetaucht wäre, das ad absurdum führt, wie die Täter den Fall darstellten.

Video widerspricht Tätern

Als Arbery an seinem Vorgarten vorbeigelaufen sei, gab Gregory McMichael anfangs zu Protokoll, habe er den Einbrecher erkannt, den sie in Satilla Shores seit einiger Zeit suchten. Sein Sohn habe zur Schrotflinte gegriffen und sich auf die Straße gestellt. Da er angegriffen worden sei, habe er sich gewehrt. Seit es den Videobeweis gibt, steht außer Zweifel, dass zwischen der Wahrheit und der Version des Ex-Polizisten ein breiter Graben klafft.

Die McMichaels sitzen hinter Gittern, doch aufgebrachte Bürger wollen wissen, warum es 74 Tage dauerte, bis sie dort landeten. Sie denke ständig daran, sagt Ahmaud Arberys Mutter Wanda Cooper, wie diese beiden Männer ihren Sohn töten konnten und nicht einmal verhaftet wurden. (Frank Herrmann, 11.5.2020)