Der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn hat die neuen Zahlen im Blick.

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Es ist ein schlichter Satz, der in Deutschland derzeit für Aufregung sorgt. "Mit Datenstand 10.05.2020 0:00 Uhr wird die Reproduktionszahl auf R=1,13 geschätzt" – das gibt das Berliner Robert-Koch-Institut (RKI) auf seiner Website bekannt. Da klingelt es auch bei vielen Menschen, die keine Experten sind.

Denn seit Wochen predigen das RKI und die deutsche Regierung, dass die sogenannte Reproduktionszahl unter eins liegen müsse, um die Pandemie abflauen zu lassen. Dieser R-Wert gibt an, wie viele Menschen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Anfang März lag er bei drei, dann sank er und pendelte sich zuletzt zwischen 0,7 und 0,8 ein. Doch dann stieg er in den vergangenen Tagen auf 1,13.

"Eine Zahl unter vielen"

"Wir nehmen das ernst", sagte Hanno Kautz, der Sprecher von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), doch er sagte auch: "Es ist eine Zahl unter vielen, um das Pandemiegeschehen zu beurteilen, ein Wert, der starken statistischen Schwankungen unterliegt." Man dürfe aus dem erhöhten R-Wert nicht schließen, "dass wir es mit einem unkontrollierten Ausbruch" zu tun haben.

Der Sonntag war gleichzeitig der Tag mit den wenigsten Neuinfektionen (357) seit dem 11. März. Auch das RKI erklärt: "Aufgrund der statistischen Schwankungen, die durch die insgesamt niedrigeren Zahlen verstärkt werden, kann weiterhin noch nicht bewertet werden, ob sich der während der letzten Wochen sinkende Trend der Neuinfektionen fortsetzt oder ob es zu einem Wiederanstieg der Fallzahlen kommt."

Mehrere Faktoren im Auge

Im Auge behält das RKI zudem die Verdopplungszeit – also jene Zeitspanne, innerhalb der sich die Infektionen verdoppeln. Wichtig ist laut RKI auch, wie sich das Verhältnis der Bevölkerung und den Kapazitäten in den Krankenhäusern entwickelt. Derzeit sind von 31.430 Intensivbetten 12.265 frei.

Auf eine Zahl haben sich der Bund und die Länder gemeinsam geeinigt: Dass bei den Lockerungen die Notbremse gezogen wird, wenn in einem Landkreis binnen sieben Tagen die Zahl der Neuinfektionen über 50 ansteigt.

Das war am Montag in fünf Landkreisen der Fall, alle Landkreise wiesen jedoch auf "besondere" Einrichtungen hin. So sei die Zahl der Neuinfektionen in Altenheimen, Unterkünften für Asylbewerber und Schlachthöfen in die Höhe geklettert.

Am Wochenende hatten zahlreiche Menschen für mehr und schnellere Lockerungen demonstriert. Regierungssprecher Steffen Seibert wies am Montag darauf hin, dass dies ihr gutes Recht sei. Allerdings mache ihm die "hohe Aggressivität gegenüber Polizisten und Journalisten" Sorgen. (Birgit Baumann aus Berlin, 11.5.2020)