Der Politikexperte Thomas Hofer würde nicht allzu viel in den Umfrageneinbruch von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hineininterpretieren.

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Je "lockerer" Österreich mit der Corona-Krise umgeht, desto härter wird die Kritik, die der Regierung entgegenschlägt. Unternehmen klagen über zu lange Wartezeiten bei den Wirtschaftshilfen, in der Kulturszene herrscht Unsicherheit, im Sport Unverständnis. Auch aus der Opposition kommen immer schärfere Töne nach dem fast schon harmonischen Einverständnis mit der Regierung zu Krisenbeginn Mitte März. Sogar Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) ist im Heute-Politbarometer um 22 Prozentpunkte abgestürzt, bleibt aber auf Platz eins.

Die Umfrage ist zwar noch mit Vorsicht zu genießen, da sich nicht seriös sagen lässt, inwieweit die Schnitzer im Krisenmanagement der Regierung im Politbarometer durchschlagen, weil darin schlicht ein differenziertes Bild fehlt. Was sich allerdings daraus schließen lässt, ist, dass die von der Regierung vielbeschworene "neue Normalität" zumindest auf dem politischen Parkett wieder zu einer einigermaßen gewohnten werden dürfte.

Die Akutphase ist vorerst vorbei

Die gesundheitliche Akutphase in der Corona-Krise ist zumindest derzeit abgelaufen. Das heißt, das Leben vieler Menschen in Österreich wird zunehmend "lockerer". Bis vor kurzem ging es noch darum, Oma und Opa vor Ansteckungen zu schützen und die Intensivstationen nicht zu überlasten. Das hat die Mehrheit auch aufgrund dieses Bildes und der mahnenden Worte der Regierung angenommen und durchgezogen.

Nicht zuletzt spiegelte sich diese Zustimmung für das türkis-grüne Krisenmanagement auch in den Umfragen wider. Kurz und seine ÖVP schrammten sogar an der Absoluten. Für Oppositionsarbeit blieb neben dem Pressekonferenz-Reigen und den vielen Sammelgesetzen der Regierung kaum bis gar kein Platz.

Eine Frage des Zeitpunkts

Doch das dürfte sich gerade ändern. Durch die gesellschaftlichen Lockerungen werden nämlich auch Problemfelder sichtbarer, die über das Gesundheitliche hinausgehen.

Der Lockdown der Wirtschaft zieht eine massive Verteilungsdebatte nach sich, die uns länger begleiten wird. Viele Menschen sind in der Krise arbeitslos geworden, Betriebe ringen ums Überleben. Dies vielleicht auch, weil das Geld aus dem Härtefallfonds zu spät kommt oder schlicht zu wenig ist . Das sorgt für Unzufriedenheit.

Die durch die Krise finanziell ebenfalls angeschlagene Kulturszene fühlt sich von der Regierung zurückgelassen und zu wenig einbezogen. Diese Woche werden gespannt die Regeln erwartet, zu welchen Bedingungen Museen, Theater, Kinos, Clubs und Konzertlocations nach ihrer Corona-Pause wieder öffnen dürfen.

Der Vorsitzende der "Vereinigung der Fußballer", Gernot Zirngast, kritisiert, dass Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) den Sportlern "Privilegien" nachsagt, obwohl sie ihrer Arbeit nicht richtig nachgehen können.

Laut dem Politikexperten Thomas Hofer kommt auf die Regierung gerade eine "schwierigere" Phase in dieser Krise zu, weil etwa die verschiedensten Berufsgruppen ihren Unmut äußern und es nicht mehr "nur" darum geht, die Kurve der Coronavirus-Neuinfektionen möglichst flach zu halten. "Dadurch, dass die Angst sinkt, infiziert zu werden, nehmen auch die Unzulänglichkeiten zu", sagt Hofer. Es gehe immer darum, welcher Schmerz gerade am stärksten dominiert.

Fischen im eigenen Wählerteich

Es sei unterm Strich erwartbar gewesen, dass sich die Werte des Kanzlers und der Regierung im Allgemeinen wieder auf ein normales Niveau einpendeln werden. Allzu viel hineininterpretieren würde er daher in den Umfrageneinbruch von Kurz nicht.

Es stelle sich aber die Frage, ob davon irgendeine der drei Oppositionsparteien auch profitieren könne. Derzeit kann Hofer weder bei SPÖ, FPÖ noch bei den Neos wirklich erkennen, dass sie der Regierung potenziell gefährlich werden. Dazu komme noch, dass auch die rot-blau-pinken Wählerinnen und Wähler die gesundheitliche Krisenarbeit der Regierung grundsätzlich goutiert hätten. (Jan Michael Marchart, 12.5.2020)