Im Zentrum der Kritik: Tirols Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (li.) und Landeshauptmann Günther Platter (beide ÖVP).

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Innsbruck – Der Tiroler Politik steht eine turbulente Woche bevor. Noch immer streiten die Landtagsparteien wegen der Zusammensetzung der Expertenkommission, die mögliche Behördenfehler rund um die Causa Ischgl aufarbeiten soll. Dort hatten sich im Februar und März offenbar tausende Skiurlauber mit Covid-19 infiziert, was Tirol internationale Schlagzeilen als Virusherd Europas eingebracht hat.

Die ursprünglich angestrebte Konsenslösung, die von allen Landtagsfraktionen mitgetragen werden sollte, war am Montag endgültig vom Tisch. Beim Treffen der Klubobleute einigten sich die regierenden ÖVP und die Grünen mit der oppositionellen SPÖ darauf, dass der ehemalige Tiroler Richter Josef Geisler und der Schweizer Krisenmanager Bruno Hersche als Doppelspitze selbst über die Zusammensetzung der Untersuchungskommission entscheiden sollen. Über diesen Vorschlag soll nun am Mittwoch im Landtag abgestimmt werden.

"Besser eine, als keine Kommission"

Die restlichen Oppositionsparteien – FPÖ, Neos und Liste Fritz – waren wenig begeistert. Sie hatten in der Vorwoche noch selbst Persönlichkeiten für die Kommission vorgeschlagen, die aber letztlich von ÖVP und Grünen mit der Begründung "zu viele Tiroler und zu wenige Frauen" abgelehnt wurden. Dass die SPÖ nun mit der schwarz-grünen Landesregierung gemeinsame Sache macht, wurde dementsprechend hefig kritisiert.

Der Klubobmann der Grünen, Gebi Mair, sagte zur Debatte um die personelle Zusammensetzung: "Besser eine Kommission als keine Kommission." SPÖ-Landesparteichef Georg Dornauer begründete das Ausscheren seiner Partei damit, dass er der Tiroler "Restopposition" nicht mehr vertraue, seit diese im April Landtag- Initiativen der SPÖ hinsichtlich der Aufklärung der Vorfälle in Ischgl nicht unterstützt habe. ÖVP-Klubobmann Jakob Wolf warf den oppositionellen Kritikern vor, nie an echter Aufarbeitung interessiert gewesen zu sein, es gehe ihnen lediglich um ein "politisches Scherbengericht".

Misstrauensvotum gegen Gesundheitslandesrat

Wolf spielte damit auch auf das Misstrauensvotum gegen Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) an, das die Oppositionsparteien FPÖ, Neos und Liste Fritz am Montag präsentierten. Tilg steht als oberster Vertreter der Tiroler Gesundheitsbehörden seit Wochen in der Kritik. Vor allem sein Auftritt in der ORF-Sendung ZiB 2, bei der er gebetsmühlenartig wiederholt hat, dass die Behörden alles richtig gemacht hätten, sorgte für großes Aufsehen. Es wäre der erste Misstrauensantrag gegen ein Mitglied der Tiroler Landesregierung seit elf Jahren.

Dornauers SPÖ zögert noch, ob sie dem Antrag, der am Freitag im Landtag eingebracht werden soll, zustimmt. Man wolle ihn zuerst inhaltlich prüfen, hieß es. Umgekehrt kritisieren die restlichen Oppositionsparteien, dass sich die SPÖ damit als neuer Juniorpartner der ÖVP anbiedere. Dornauer habe schließlich selbst mehrmals den Rücktritt Tilgs gefordert. Ohne die roten Stimmen wird der Antrag kaum Erfolgschancen haben, denn es fehlen noch drei der nötigen zwölf Stimmen. Dornauer ließ die Oppositionskollegenschaft am Montag wissen, dass er das Misstrauensvotum für eine "Panikreaktion" halte.

Touristen klagen, Unternehmer wollen Entschädigung

Abseits der politischen Aufarbeitung läuft die juristische. Derzeit ermittelt noch die Tiroler Polizei im Auftrag der Innsbrucker Staatsanwaltschaft. Ein erster Zwischenbericht, der unter Verschluss ist, wurde vergangene Woche übergeben. Aktuell haben sich 358 Personen bei der Staatsanwaltschaft gemeldet, die sich als Privatbeteiligte dem Verfahren anschließen wollen.

Bei Konsumentenschützer Peter Kolba, der online dazu aufruft, sich einer Sammelklage von Touristen gegen die Republik anzuschließen, meldeten sich mittlerweile 5380 Personen. Allerdings ist nicht belegt, ob es sich um nachweisliche Infektionsfälle handelt. 73 Prozent gaben an, dass sie positiv getestet wurden.

Auch Unternehmen wollen Entschädigung einklagen. Beim Prozessfinanzierer Padronus haben sich bisher 500 Betriebe gemeldet, für 150 davon habe man bereits Anträge im Streitwert von vier Millionen Euro eingebracht. Allein in Tirol sind direkt bei den Bezirksbehörden mehr als 3500 Entschädigungsanträge gestellt worden. Man rechne damit, dass eine bundesweite Lösung zur Entschädigungspraxis verlautbart wird. (Steffen Arora, 11.5.2020)