Mikovits im Trailer von "Plandemic".

Foto: Plandemic

SARS-CoV-2, vulgo Coronavirus, ist mittlerweile Anknüpfungspunkt für diverse Vermutungen finsterer Machenschaften. So soll Bill Gates die Pandemie nutzen, um sich politischen Einfluss zu verschaffen und plant demnach, die Weltbevölkerung über Zwangsimpfungen mit Mikrochips auszustatten. Fakten, etwa dass der angebliche Besitzer der Weltgesundheitsorganisation (WHO) "nur" rund zehn Prozent zu ihrem Budget beiträgt, werden geflissentlich ignoriert.

Für wenig Freude bei Mobilfunkern und so manchen ihrer Kunden sorgt wiederum die absurde Annahme, dass 5G-Technologie zur Verbreitung des Virus genutzt werde. In Großbritannien wurden aufgrund dieser Falschbehauptung bereits dutzende Funkmasten demoliert. Nun gibt es eine neue Verschwörungstheorie, die auf großes Interesse stößt. Und sie macht eine diskreditierte Forscherin zum neuen Star der "Szene", berichtet die New York Times.

Von 800 auf 13.000 Nennungen pro Tag

Der erste Teil der Theorie ist bekannt: Bill Gates und Anthony Fauci – als Leiter des National Institute of Allergy and Infective Diseases derzeit der bekannteste Berater der US-Regierung – würden die Pandemie nutzen, um nach Macht zu streben. Der zweite Teil: Impfungen tragen dazu bei, dass Menschen an Covid-19 erkranken, weil sie das Immunsystem schwächen.

Die Behauptungen stammen von Judy Mikovits. Sie hat im April ein Buch namens Plague of Corruption veröffentlicht, in dem sie sich als eine Art Whistleblowerin darstellt. Zudem tritt sie in der Pseudo-Dokumentation Plandemic auf. Das verschaffte ihr auch einige Coverage durch Portale wie Epoch Times, die immer wieder Verschwörungstheorien unhinterfragt großen Raum einräumen. Laut der Medienanalysefirma Zignal Labs wird ihr Name auf sozialen Medien bereits bis zu 14.000 Mal pro Tag erwähnt. Anfang April waren es lediglich 800 Nennungen. Auf Twitter folgen ihr mittlerweile über 130.000 Nutzer.

Auf Demonstrationen ist ihr Name mittlerweile auf Schildern und Transparenten zu finden. Aufgegriffen wird dabei auch ihre Aussage, dass man mit dem Tragen einer Maske "das eigene Virus aktivieren" würde.

Judy Mikovits in einem Interview.

Massive Kritik an Studie

Mikovits hat ihren PhD in Molekularbiologie an der George Washington University abgeschlossen und arbeitete am National Cancer Institute und später bis 2011 am Whittemore Peterson Institute for Neuro-Immune Disease. An letzterer Station nahm ihr wissenschaftliches Standing schweren Schaden.

2009 war sie als Co-Autorin an einem Paper beteiligt, das die Theorie aufstellte, dass ein in Mäusen entdecktes Retrovirus eine wichtige Rolle bei der Entstehung des chronischen Erschöpfungssyndroms (CFS) spielt. Eine Reihe von Labors konnte in eigenen Tests die Ergebnisse allerdings nicht bestätigen. Die Untersuchung wurde aufgrund verschiedener fachlicher Mängel zuerst vom Journal Science teilweise und später ganz zurückgezogen. Und das ohne Einverständnis der Autoren, was extrem selten passiert.

Mikovits war zudem bei der Leitung des Whittemore Peterson Institutes in Ungnade gefallen. Weil sie einem Kollegen eine Zelllinie nicht übergeben wollte und sich mehrfach Vorgaben widersetzt hatte, wurde sie schließlich entlassen.

Angriff auf Fauci

Sie versucht schon seit geraumer Zeit, das Scheitern ihrer wissenschaftlichen Karriere an Fauci festzumachen. Dieser habe Untersuchungen von ihr über das HI-Virus während ihrer Zeit am National Cancer Institute unter Verschluss gehalten, ihr gedroht und dann von ihren Ergebnissen profitiert. Sie sieht sich zudem verfolgt ob ihrer Infragestellung der Sicherheit von Impfungen.

Ein Mediziner analysiert Mikovits' Aussagen im Trailer für "Plandemic".
Doctor Mike

Fauci streitet die behaupteten Vorfälle ab. Auch das Factchecking-Portal Snopes konnte keine Hinweise darauf entdecken, dass Mikovits und Fauci beruflich jemals miteinander interagiert hätten. Fauci hatte 2011 einen Kollegen gebeten, eine Studie zu entwerfen, um die Ergebnisse der CFS-Untersuchung von Mikovits zu überprüfen. Ein Jahr später gestand die Forscherin allerdings selber ein, dass es den von ihr behaupteten Zusammenhang zwischen dem Syndrom und dem Retrovirus nicht gibt.

Plattformen reagieren

Während Mikovits weiter an ihrem Märtyrer-Image arbeitet, haben die Betreiber wichtiger Plattformen reagiert. Facebook und Youtube löschen mittlerweile Trailer zu Plandemic. Nur noch Kommentarvideos und Factchecks verbleiben. Das Crowdfundingportal Gofundme hat eine zu ihren Gunsten von einem ehemaligen Youtube-Angestellten gestartete Finanzierungskampagne entfernt.

Amazon führt ihr Buch Plague of Corruption allerdings weiter im Angebot. Es ist zwischenzeitlich zur bestverkauften Printproduktion im US-Angebot aufgestiegen. (gpi, 12.05.2020)