Bürgermeister Michael Ludwig und Finanzstadtrat Peter Hanke.

Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Wien – Die Stadt Wien schüttet die erste Tranche ihrer 7,5 Millionen Euro Förderung für journalistische Innovationen aus. Die Jury vergibt die ersten 1,25 Millionen Euro an 23 Projekte, darunter drei des STANDARD. Die sogenannte Wiener Medieninitiative sei ein "Zeichen, dass wir im Bereich der Medienförderung nicht nur in die Breite gehen wollen, sondern ganz bewusst die Qualität stärken und neue innovative Wege in Richtung Qualität fördern", erklärte Bürgermeister Michael Ludwig am Dienstag.

Der ressortzuständige Finanzstadtrat Peter Hanke verwies in der Präsentation auf Pläne für eine ähnliche Medienförderung in Hamburg und Bayern. Wien habe diese neuartige Förderung schon umgesetzt. Große Projekte von Medienunternehmen und Start-ups wurden in der ersten Runde mit jeweils 30.000 bis 100.000 Euro gefördert, kleinere Projekte von Journalistinnen und Journalisten mit 7.000 bis 10.000 Euro.

Die Förderung kombiniere wirtschaftliche und demokratische Ziele, erklärte Daniela Kraus. Die Generalsekretärin des Presseclubs Concordia ist Jurymitglied, das von ihr mitbegründete Medienhaus Wien war eine treibende Kraft bei der Gestaltung der Wiener Medienförderung. Diese "Medieninitiative" organisieren die Wirtschaftsagentur Wien und der Presse- und Informationsdienst (PID) der Stadt Wien.

Kontrapunkt zu Corona-Medienförderung

Die Wiener Medienförderung für konkrete journalistische Innovationen und mit einer zu wesentlichen Teilen international, wissenschaftlich und mit Branchenexpertise besetzten Jury wurde in den vergangenen Wochen als positives Gegenbeispiel zur Corona-Sondermedienförderung des Bundes genannt, die keine Digitalmedien und großteils orientiert an Druckauflagen fördert.

Nikolaus Forgó, Vorstand des Instituts für Innovation und Digitalisierung im Recht an der Uni Wien, wunderte sich etwa im STANDARD-Interview über die Sondermedienförderung der Bundesregierung, die Werbeausfälle der Medien durch die Corona-Krise abfedern soll. Medienförderung nach Druckauflagen zu bemessen findet er nicht nur aus der Zeit gefallen, es begünstige auch hochauflagige Zeitungen, die in der Regel nicht gerade "für sachlichen Diskurs sorgen". Forgó empfahl als Vorbild die neue Medienförderung der Stadt Wien.

Geförderten Projekte des STANDARD

DER STANDARD reichte drei qualitätsjournalistische Projekte ein – alle drei wurden von der Jury als förderwürdig anerkannt. Die drei STANDARD-Projekte im Detail:

  • Wien spricht: Das Projekt "Wien spricht" setzt sich zum Ziel, gesellschaftliche und für das Zusammenleben in einer Stadt relevante Themen auch im öffentlichen Raum zu verhandeln. DER STANDARD verlässt dafür die Redaktion und veranstaltet – nach Maßgabe der Corona-Sicherheitsmaßnahmen – Pop-up-Diskussionen im Freien, auf öffentlichen Plätzen, zu Streitthemen, die den Zusammenhalt in der Gesellschaft betreffen. Gleichzeitig suchen wir über ein Online-Tool Menschen, die zu diesen Themen unterschiedliche Ansichten haben und lassen sie – virtuell oder persönlich – miteinander diskutieren. Über allem steht die Frage: Wie wollen wir gemeinsam die Zukunft gestalten? Worauf können wir uns einigen, welche Ansichten respektieren, auch wenn wir sie nicht teilen? DER STANDARD macht es sich zur Aufgabe, Gräben in der Gesellschaft weitestmöglich zu überbrücken.
  • Langzeitbeobachtung: Das Projekt hat sich zum Ziel gesetzt, gesellschaftliche Entwicklungen über einen längeren Beobachtungszeitraum sichtbarer und nachvollziehbarer zu machen. Dem STANDARD geht es dabei um die Begleitung von Menschen in Schlüsselsituationen ihres Lebens. Ein Beispiel: "Der lange Weg zum Job": Wie ergeht es einem 15-Jährigen, der eine lange Schulkarriere an Misserfolgen hinter sich hat, der keine Lehrstelle findet und dennoch der Ausbildungspflicht bis 18 unterliegt? Wie kommt er da raus? Je nach Thema dauert die Langzeitbeobachtung zwischen sechs Monate und eineinhalb Jahre. Am Ende steht eine große journalistische Geschichte. Die Gespräche werden auch fotojournalistisch und videojournalistisch begleitet.

  • Podcast-Plattform: DER STANDARD baut seine Führungsrolle mit weiteren Podcast-Formaten aus. Er wird eine Plattform schaffen, bei der wir je nach inhaltlicher Ausrichtung die passende Vermarktungsform präzise definieren. Wir wollen dabei drei Modelle unterscheiden, die wir parallel ausrollen. Diese Modelle sind das Reichweitenmodell, das Abomodell und das Partner- bzw. Kooperationsmodell.

Eine Liste aller 23 in der ersten Runde geförderten Projekte finden Sie unter diesem PDF-Link bei der Wirtschaftsagentur Wien.

Mit 30.000 bis 100.000 Euro gefördert werden zudem ein Balkanblog und ein Klimaschwerpunkt von heute.at, ein "wien24.at"-Channel der Mediengruppe Österreich, eine Spezialausgabe des "artmagazin" für das Smartphone, das gedruckte Magazin von "Dossier", eine Business-Ausgabe von "Biorama", eine MigrantInnen-Plattform der "Metropol"-Macherinnen ("Home Is Where the Herz Is"), ein gedrucktes Magazin für Musliminnen und Muslime ("Quamar"), die Beilage und Initiative "Träum dein Wien – Das Magazin" der "bz Bezirkszeitung", Russmedia bereitet Wiener Regional- und Bezirkspolitik multimedial auf, und die APA widmet sich sehr lokalen Datenthemen unter "Wiener Dateng'schichten".

Die Gründerförderung "Medienstart" (7.000 bis 10.000 Euro) geht an den Youtube-Kanal "Geopolitics Joe" für Politnerds, an das Printmedium zoll+ und die Onlineplattform hausderlandschaft.at, an den digitalen Jugend-News-Channel "MyNews", an Nachrichten in einfacher Sprache als Podcasts der Missing Link Media GmbH von Stefan Lassnig, Julia Ortner und Sebastian Krause, das Medienprojekt "Opernlobby", eine journalistische und digitale Plattform, die mittels unterschiedlicher Medien die Lebensrealität von Frauen*, Intersex*-, Non-binary- und Trans-Personen in den Mittelpunkt stellt (Riot Media), das Projekt "Storytopia" für usergeneriertes Storytelling, das Influencer-Projekt "The Happy House" und "undmorgen.com – Journalismus mit Meinung und Haltung", ein Projekt von Michael Bonvalot.

Was Wien fördert, wer beurteilt

Die Stadt fördert über diese "Medieninitiative Wien" einerseits Projekte von Brancheneinsteigern. Sie können dafür bis zu 10.000 Euro bekommen – die wiederum höchstens 75 Prozent der Projektkosten ausmachen dürfen.

Bis zu 100.000 Euro gibt es für bestehende Medienunternehmen und Start-ups für "Projekte mit einer hohen journalistischen Qualität" (Ludwig bei der Präsentation). Bei bestehenden Unternehmen kann das Geld bis 45 Prozent der Projektsumme ausmachen, bei Start-ups bis 60 Prozent, erläutert Finanzstadtrat Peter Hanke.

Dazu kommt ein "Frauenbonus": Wenn die Projekte von Frauen geleitet würden, bekämen sie 5000 Euro extra.

Die Fachjury

Die journalistische Qualität der eingereichten Projekte beurteilt eine Jury. Mitglieder sind

  • Christopher Buschow (Fakultät Medien der Bauhaus-Universität Weimar),
  • Matthias Karmasin (Akademie der Wissenschaften),
  • Helmut Strutzmann, PR-, Medien- und Unternehmensberater und der Stadt Wien lange verbundener Chef der Agentur Multiart,
  • Romanus Otte, Chefredakteur und Geschäftsführer des "Business Insider" Deutschland von Springer, wo er früher Digitalmanager der "Welt" war,
  • Ulrike Marinoff, im PID für Werbebuchungen der Stadt Wien zuständig,
  • Daniela Kraus (Concordia) und
  • Margarete Jahrmann, eine Burgenländerin, die an der Zürcher Hochschule der Künste in den Fachrichtungen Design und Game Design lehrt.

(fid, 12.5.2020)