Atemberaubend sind auch die Vorgeschichten, vor allem die politischen Querelen in der Ersten Republik im Vorfeld der Planung dieser beiden Bergstraßen. Bei der Höhenstraße im Vergleich zum Großglockner von "Bergfahrt" zu sprechen scheint vermessen zu sein, doch das Thema Rennsport vereinte ein einziges Mal beide Strecken zu einer Einheit. Die deutsche Bergmeisterschaft 1939 bestand aus zwei Läufen, Glockner und Höhenstraße, dann kam der Krieg, und alles war vorbei.

Wien hatte immer ein sentimentales Verhältnis zur Hügellandschaft rund um Kahlen- und Leopoldsberg. Die sanften Hänge mit Weinbau wollte schon Fürst de Ligne um 1800 den Wienern zugänglich machen. Aus den Sommerrefugien Grinzing oder Sievering ging es mit Mann und Ross und Wagen bergauf durch den Wald, bis 1870 Ordnung geschaffen wurde. Bürgermeister Karl Lueger plante bereits 1905 eine 29 Kilometer lange Aussichtsstraße im Rahmen des neuen Wald- und Wiesengürtels – mit getrennten Bereichen für Gespanne und Fußgeher. Die Attraktion 1907: Autobusbetrieb auf der Serpentinenstraße Grinzing–Cobenzl.

Straßenbau als Arbeitsbeschaffung

Blättern wir zum Jahr 1932. In Wien regierte noch der sozialdemokratische Bürgermeister Karl Seitz, Arbeitslosenraten von 20 bis 25 Prozent ließen bei den Behörden die Alarmglocken schrillen, die Nazis zogen mit zwölf Abgeordneten in das Rathaus ein, da bekam Luegers Höhenstraßenprojekt Aktualitätsstatus. Schwerpunkte der Dollfuß-Regierung ab 1934 lagen im Bereich Förderung des Fremdenverkehrs, Hinwendung zu der autofahrenden Mittelschicht rund um die Erfolgsmodelle Steyr 100 und Steyr Baby 50, Straßenbau als Arbeitsbeschaffung wurde priorisiert, keine weiteren Gemeindebau-Bunker.

Szenen des Baugeschehens:
Die Schwarz-Weiß-Fotos
zeigen die Arbeiten auf der Wiener Höhenstraße...

Foto: Bezirksmuseum Döbling

Diese Politik bedeutete die Trendumkehr, Sozialausgaben wurden reduziert, neues Geld floss in den Straßenbau, der nun zwei Drittel der Gesamtinvestitionen ausmachte. Am 18. Mai 1934 erfolgte der Spatenstich für den Bau der Höhenstraße Cobenzl–Leopoldsberg, budgetiert waren zehn Millionen Schilling, Umweltschützer warnten vor der kommenden Autolawine. Rund 600 Arbeiter inklusive freiwilligen Arbeitsdiensts schaufelten an der Straße, die Auflage hieß: wenige Maschinen, viel Handarbeit – siehe Pflaster. Am 16. Oktober 1935 war das Werk vollendet, 100.000 Fußgänger, 6000 Radfahrer und 11.000 Automobilisten feierten chaotisch dieses Ereignis.

...von Sprengung und Gleisen für Loren über Planierung.
Foto: Bezirksmuseum Döbling

Wagnis

Die Überquerung der Tauern von Salzburg nach Kärnten bedeutetet ein technisches Wagnis, sollte doch der höchste Punkt der geplanten Hochalpenstraße auf 2500 Meter Höhe liegen. Bereits die Römer benützten die geplante Trasse Fusch–Heiligenblut als wichtige Nord-Süd-Verbindung. Im Mittelalter frönten hier die Kaiser der Jagdleidenschaft. Der Friede von Saint-Germain 1919 schnitt aber jede direkte Verbindung von Salzburg/Tirol nach Kärnten ab.

Alle Planungen nach 1918 für eine Straßenverbindung scheiterten am Geldmangel, doch zwei Personen schafften durch persönliche Initiative die Realisierung des Projekts Großglockner-Hochalpenstraße. Die Speerspitze: der Landeshauptmann von Salzburg, Franz Rehrl. Als Autofan befuhr er 1934 mit einem als Geländevehikel umgebauten Steyr 100 die im Rohbau befindliche Bergstraße. Sein kongenialer Partner saß in Kärnten, der Wiener Bautechniker Franz Wallack, dekorierter Weltkriegsteilnehmer, Abwehrkämpfer, langjähriger Promotor des Projekts Glocknerstraße.

Das farbige Bild dokumentiert die
heutige Pracht der Großglockner-Hochalpenstraße...
Foto: Großglockner-Hochalpenstraße AG

Das autoritäre Regime 1934 erübrigte lange Diskussionen, Rehrl und Wallack machten Nägel mit Köpfen, um den 1930 begonnen Bau mit Hochdruck zu vollenden. Der damalige Finanzminister erlaubte, 14 Prozent des Straßenbaubudgets Richtung Glockner zu dirigieren. Natürlich stand die Beschäftigung von Arbeitslosen offiziell im Vordergrund, doch man schielte auch auf den erhofften Tourismusboom aus Deutschland nach Hitlers Machtergreifung.

Stilgerechte Eröffnungsfeier

...die Schwarz-Weiß-Aufnahmen zeugen von härtestem körperlichem Einsatz der Arbeiter in der extremen Hochgebirgsumgebung.
Foto: Großglockner-Hochalpenstraße AG

Rehrl wollte sich aber auch ein persönliches Denkmal setzen, neben dem Glanz der Salzburger Festspiele mit Größen wie Richard Strauss oder Arturo Toscanini. Am 3. August 1935 war es so weit, die Großglockner-Hochalpenstraße wurde auf 48 km Länge zur Befahrung freigegeben. Möglich geworden war die technische Meisterleistung nur durch einen hohen Maschineneinsatz mit insgesamt 3200 Arbeitern. Nach heutigem Geld kostete die Glockner-Straße rund 71 Millionen Euro, auf die Arbeitslosenrate hatte das Projekt kaum Einfluss, wer keine festen Schuhe oder warme Kleidung vorweisen konnte, war fehl am Platz.

Stilgerecht feierte man die Eröffnung von Glockner-Hochalpenstraße und Höhenstraße mit Rennsport. Zum Hochtor donnerte das Trio Alfa Romeo, Bugatti, Maserati hinauf, in Wien lärmten die Zweiräder vom Krapfenwaldbad bergauf, im Starterfeld: Beiwagenkönig Karl Abarth. (Peter Urbanek, 29.5.2020)