Eigentlich hat ja alles so gut angefangen. Ein Auto wurde hinten angetrieben, vorne gelenkt, und dazwischen saßen die Leute. Das war konstruktiv relativ einfach und auch günstig. Außerdem war es sehr schlau, wie wir später merken werden, weil der Antrieb keine negativen Auswirkungen auf die Lenkung hat und umgekehrt. Der Nachteil, dass man einen Kardantunnel durch die Fahrgastzelle führen musste, um die Kraft vom Motor vorne zur Achse hinten zu bekommen, war so überschaubar, dass der Tunnel heute noch andeutungsweise in vielen Fronttrieblern existiert, nur dass dort nun andere Bauteile untergebracht sind.

Die Längsmotoren waren auch mit dem Platz im Motorraum gnädiger als die aktuellen Frontkratzer, wo neben dem Quermotor auch noch das Getriebe und der Antrieb unter einem Blechdeckel untergebracht werden müssen.

Der 911er-Porsche ist wohl der bekannteste Wagen mit Heckantrieb ...
Foto: Guido Gluschitsch

Die Fahreigenschaften waren gleich aus mehreren Gründen sehr gut. Da haben wir die ausgeglichenen Achslasten, die einfach zu realisieren waren, und die souveräne Beschleunigung, weil dabei das Auto die hintere Achse belastet, was in dem Fall mehr Grip auf der Antriebsachse bedeutet. Und mehr Gewicht auf der Hinterachse bedeutet auch ein höheres Bremsmoment hinten und eine Entlastung der Vorderachse. Schweres Gepäck im Heck war kein Problem, sondern sogar mitunter so gut, dass man sich bei schlechten Gripverhältnissen einfach ein Sackl Zement oder einen betonierten Schirmständer in den Kofferraum gelegt hat.

... aber auch der Twingo hat einen solchen. Dabei sitzen – anders als beim Standardantrieb – Motor und Getriebe auf oder hinter der Hinterachse.
Foto: Stockinger

Heck- und Hinterradantrieb

Und schauen Sie, genau das geht bei einem Heckantrieb nicht. Der hat hinten gar keinen Kofferraum. Es ist nämlich zwar jeder Heckantrieb ein Hinterradantrieb, aber bitte nicht jeder Hinterradantrieb ein Heckantrieb. Gerne benutzt man heute den Begriff Heckantrieb für das, was eigentlich Standardantrieb heißt – also Motor vorne, Antrieb hinten. Der Standardantrieb wird heute immer noch gerne in besonderen Autos wie Oberklasse-Limousinen und Sportwagen verbaut – wegen der besprochenen Vorteile.

Beim Heckantrieb wird ebenfalls die Hinterachse angetrieben, allerdings sitzen Motor und Getriebe auf oder hinter der Hinterachse. Beim 911er ist das etwa so. Hier nutzt man den Vorteil, dass der Antrieb kompakter baut, permanent ausreichend Gewicht auf der Antriebsachse ist, und günstig war diese Konstruktion auch. Oder haben Sie geglaubt, Ferdinand Porsche hätte diesen Antrieb gewählt, weil er so exklusiv ist? Weit gefehlt. Der Heckmotor hat sogar seine Tücken, nämlich dann, wenn einem das Heck ausbricht. So gesehen ist es ein Kunststück, das Porsche seinen 911er inzwischen zu einer derartig sportlichen Fahrmaschine gemacht hat, dass sie auch fahrdynamisch Unbedarfte unglaublich schnell bewegen können.

Mittelmotor und Transaxle

Ein weiterer Hinterradantrieb, der kein Heckantrieb ist, wäre der mit einem Mittelmotor. Bei ihm sitzt das Aggregat vor der angetriebenen Hinterachse und hinter der Vorderachse. Das erste moderne Automobil, der Benz Patent-Motorwagen, hatte so einen Antrieb, heute findet man ihn vor allem in Sportwagen, etwa von Porsche, Ferrari und Lamborghini.

Bei der Transaxle-Bauweise sitzt der Motor vorne, Getriebe und Antrieb aber hinten. Das kennen wir vom Porsche 924, dem Alfa Romeo 8C oder Mercedes AMG GT.

Alles war also gut so, wie es war. Für Sportler mit genug Gespür fürs Autofahren gab es Heck- und Mittelmotoren, für alle anderen den Standardantrieb. Doch dann nimmt das Unheil 1898 ausgerechnet in Wien Anlauf.

Der Traction Avant von Citroën läutete die Frontantriebära ein.
Foto: Citroen

Bei Gräf & Stift kam man damals auf die geniale Idee, dass man doch die Vorderachse antreiben könnte, um das Auto wie an einer Schnur über Steigungen zu ziehen. Man muss den Ingenieuren aber auch zugutehalten, dass sie noch nicht wussten, was viele Jahre später Walter Röhrl über den Frontantrieb sagen wird, nämlich dass eine Kurve, mit so einem Antrieb durchfahren, immer wie ein Unfall aussieht. Doch auch er sollte später dem kaum weniger schieberten Allradantrieb das Wort reden.

1929 kam mit dem Cord L29 der erste Großserien-Pkw mit Frontantrieb auf den Markt. Meilenstein für den Durchbruch des Frontkratzers war aber erst der Traction Avant von Citroën, der ab 1934 gebaut wurde. Und heute haben wir diesen Antrieb in fast jedem Klein- und Kompaktwagen, SUV und sogar mancher Limousine. Selbst BMW, die letzten Helden des Hinterradantriebs, verbaut ihn nun öfter.

Aber der Hinterradantrieb kommt
wieder, mit den E-Autos wie dem ID.3 von Volkswagen.
Foto: Volkswagen

Wendekreis wie ein Fahrrad

Jetzt, wo wir Freunde des agilen Hecks schon befürchteten, dass der Hinterradantrieb endgültig dem automobilen Spießertum weichen muss, setzt dieser Antrieb zu einer neuen Blüte an.

Der erste Heckantrieb überraschte uns im Smart und später im Twingo. Jetzt ist der Kleinwagen zwar kein fahrdynamisches Wunder, weil die Fahrassistenten allzu gut aufpassen, dass so etwas wie ein Rutscher nicht passiert, aber weil man sich an der Vorderachse nicht mit dem Antrieb arrangieren muss, haben die beiden einen Wendekreis, den wir sonst nur von Fahrrädern kennen.

Kaum haben wir die gute Nachricht eines neuen Hecktrieblers verdaut, tauchen nach und nach neue Hinterradler auf. Einige Hersteller setzen bei den neu kommenden E-Autos nämlich auf genau diesen Antrieb. Der ID.3 von Volkswagen etwa hat einen, aber auch der Honda e. Fürchten brauchen sich gelernte Frontkratzer nicht. Die Elektronik achtet auch hier gut darauf, dass der Wagen in der Spur bliebt und nicht lässig mit dem Heck schwanzelt. (Guido Gluschitsch, 8.6.2020)