Als Raffael (1483–1520) seine herrlichen Fresken in den Stanzen malte und sich darin in der Schule von Athen (1510/11) selbst konterfeite, waren 20 Jahre vergangen seit der Grundsteinlegung zu einer Revolution im Verkehrsgeschehen des vorindustriellen Europas. 1490 nämlich, er war erst zarte sieben, gründete Maximilian I., damals König, von 1508 bis zum Tod 1519 Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, mit dem "Niederländische Postkurs" die erste permanent betriebene Postverbindung. Die Route verband die Residenzstadt Innsbruck mit den nunmehr habsburgischen Niederlanden, burgundisches Erbe und so.

Zu Lebzeiten Raffaels kündete sich nicht nur die kopernikanische Wende an, das Postwesen und die hochseetauglichen Schiffe revolutionierten das Beförderungswesen.
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Es handelte sich zunächst um eine quasi innerfamiliäre Verbindung, die Maximilian schnellstmöglichen Kontakt mit Sohn Philipp ermöglichte – prompt wurde die Linie, als Philipp 1504 kastilischer König wurde, dorthin verlängert. In der Ära Kaiser Karls V. – richtig, der, in dessen Reich die Sonne nie unterging – wurden die Postkurse bedarfsgerecht nach Italien – Rom, Neapel, etc. – ausgedehnt.

Reiter- und Pferdewechsel

Was war nun so revolutionär an dieser Sache, die sich zu Lebzeiten Raffaels abspielte? Stafettensystem – und sukzessive Öffnung für die Allgemeinheit. Die Einführung eines Systems mit Reiter- und Pferdewechsel an Poststationen bewirkte ein für damalige Verhältnisse sagenhaftes Beförderungstempo – täglich konnten über 166 Kilometer Postweg bewältigt werden, zu befördern waren zunächst versiegelte Rucksäcke ("Felleisen"), Briefpakete und anderes Kuriergeschäft. Die Zeitgenossen waren begeistert, Raffaels großer deutscher Kollege Albrecht Dürer setzte dem in seinem Stich Der kleine Postreiter 1496 ein Denkmal.

1496 setzt Dürer dem Kleinen Postreiter ein Denkmal, der Deutschen Post diente das als Sujet für die Jubiläumsmarke.
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Als Begründer um das Postwesen verdient gemacht hatte sich eine aus Oberitalien, nahe dem dieser Tage so Corona-geschüttelten Bergamo stammende Adelsfamilie, die uns als Thurn und Taxis bekannt ist. Janetto von Taxis hat mit seinem Bruder Franz und seinem Neffen Johann Baptista das moderne Postwesen begründet, Dienstherr Maximilian und seine Nachfolger waren nicht kleinlich und machten die Taxis’ zu Generalpostmeistern, bis 1615 wurde das Amt als Reichslehen verliehen und danach erblich.

Taxi, bitte!

In ihrem Regensburger Schloss St. Emmeram spötteln die Einheimischen heutzutage gerne über das Fahnenmastsignal: "Hängt der Fetzen (Fahne) drob’n, sind die Lumpen drin." Aber das nur ebenso nebenbei wie der Umstand, dass ein Spross dieser Familie in Goethens Torquato Tasso zum tragischen Titelhelden ward. Erhalten hat sich bis heute Postkutschen- und Posthornromantik (Hoch auf dem gelben Wagen), und im Personenbeförderungswesen ist die Familie für ewig verankert in dem Worte: Taxi.

Mit Kopernikus zeichnete sich ein ganz neues Weltbild ab, und dass, ebenfalls zu Raffaels Zeiten, der geniale Leonardo seine Visionen von Fortbewegungsmitteln und Kriegsgerät (Flugzeuge, Panzerwagen etc.) ersann, gehört ebenso da her wie das Bildungsideal des Uomo universale, nur scheiterte es eben noch an technischer Umsetzbarkeit.

Das war zu Beethovens (1770–1827) Zeiten – und damit zum zweiten Jahresregenten – schon anders, da lag bereits Ruß in der Luft, das Maschinenzeitalter kündigte sich an.

In Beethovens Epoche entfaltete sich die industrielle Revolution, es begann das Dampfzeitalter. Gut, dass er das nicht mehr hören konnte.
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Es war Goethe, der als Erster mit sicherem Gespür vor den Folgen warnte. Bei einer Besichtigung der ersten Dampfmaschinen im preußischen Schlesien sah er sofort: Hier war ein Prozess in Gang gesetzt, der sich nicht mehr aufhalten lassen würde. Sein "Nicht weiter so!" blieb ungehört.

Geniezeit eben

Was hat sich also (verkehrs)technisch abgespielt in Beethovens Lebensspanne? Er selbst vollzog seine zahlreichen Adresswechsel bekanntlich traditionell per Kutsche, aber ein Jahr vor seiner Geburt hatte James Watt bereits ein Patent eingereicht, das die moderne Dampfmaschine ermöglichte und ihren Siegeszug einläutete. Und zwei Jahre nach seinem Tode gewann Robert Stephensons "The Rocket" das erste Dampflokomotivenrennen, das revolutionäre Verkehrsmittel war damit endgültig auf Schiene gebracht.

Die "Austria" (Bild) und "Moravia" waren 1837 die ersten Dampfloks im Habsburgerreich – natürlich "made in England".
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Die erste Eisenbahn im von Österreich und Preußen dominierten Deutschen Bund nahm 1835 den öffentlichen Personenverkehr Nürnberg–Fürth auf, als erste Dampflok in unseren Landen fuhr die "Austria" auf der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn (KFNB) von Floridsdorf nach Deutsch-Wagram. Die Luftfahrt hob bereits zu Beethovens Lebzeiten an – die Gebrüder Montgolfier stiegen 1783 mit ihrem Heißluftballon in das Reich der Vögel auf. Alessandro Volta baute 1799 seine erste funktionstüchtige Batterie, Karl von Drais leitete 1817 mit seinem Laufrad die Fahrradära ein, und Joseph Ressel erprobte 1826 die Schiffsschraube, patentiert wurde sie 1827, in Beethovens Todesjahr.

Geniezeit eben. Freude, schöner Götterfunken! (Andreas Stockinger, 4.6.2020)