Mittlerweile ein Klassiker des sozialen Wohnbaus in Wien die Großfeldsiedlung.

Foto: Robert Newald

Auf erneuerbare Energiequellen zu setzen heißt zuerst einmal: investieren. Auch wenn Solarpaneele und andere Energietechnik sich langfristig rechnen, gilt es zuerst die Anschaffung zu stemmen. Damit läuft die Energiewende Gefahr, dass sie den Wohlhabenden vorbehalten bleibt.

Das gilt in globaler Perspektive – vielen Staaten fehlen die Mittel für große Umbauten im Energiesektor – genauso wie innerhalb der Länder: Wer etwa selbst ein Haus besitzt, hat eher die Möglichkeit, durch eigene Fotovoltaikpaneele erneuerbare Energie zu nutzen, als Vertreter weniger finanzkräftiger Bevölkerungsschichten – wie etwa die Mieter im sozialen Wohnbau.

Genau diese Gruppe stellt das Projekt "SocialLowCostFlex" der FH Technikum Wien in den Fokus. Unterstützt von Förderagentur FFG und Klimaschutzministerium arbeiten Frederike Ettwein und Kurt Leonhartsberger mit ihren Kollegen des Forschungsschwerpunkts Renewable Energy System der FH an Konzepten, die auch Menschen im geförderten Wohnbau an der Energiewende teilhaben lassen können.

"Der Fokus liegt auf gemeinschaftlichen Erzeugungsanlagen und der Frage, wie Energiegemeinschaften im sozialen Wohnbau aussehen könnten", erklärt Projektleiterin Ettwein. "Technologien und Geschäftsmodelle sollen dabei auf die Situation der Bewohner abgestimmt werden." Die Entwicklungen sollen in engem Kontakt mit den Bewohnern im Wiener sozialen Wohnbau erfolgen, wobei über Bedürfnisse, Ideen und Konzepte immer wieder diskutiert wird. Mit welchen Standorten kooperiert wird, ist noch nicht fix.

Anders als gewohnt stehen nicht Objektbesitzer, sondern die tatsächlichen Bewohner im Fokus. "Gerade im sozialen Wohnbau gibt es hohe Fluktuation. Für die Bewohner stellt sich die Frage: Warum sollte man sich langfristig an neuer Infrastruktur beteiligen, wenn man vielleicht kurzfristig wieder auszieht?", erklärt Leonhartsberger. "Hier könnte man daran denken, einschlägige Förderungen wie Heizkostenzuschüsse zu bündeln und vorzuziehen, um sie für eine Energieinvestition zu verwenden."

Individuelle Energiesituation

Technisch müsse man auf die konkrete Situation vor Ort reagieren: Sind etwa noch Elektroboiler in den Wohnungen in Gebrauch, könnte es sich auszahlen, diese flexiblen Energiespeicher mit Strom aus Fotovoltaik zu speisen. Lokale Blockheizkraftwerke, die kombiniert Elektrizität und Wärme aus Gas erzeugen, könnten erneuert, mit Fotovoltaik kombiniert und maßgeblich effizienter gemacht werden.

Auch bei Verteilung und Abrechnung von Energie aus Gemeinschaftsanlagen könnte man neue Wege gehen. "Gegebenenfalls findet man zu einem Modell, das mehr soziale Gerechtigkeit widerspiegelt", sagt Leonhartsberger. "Gesetzt den Fall, dass sozial Schwächere einen höheren Energieverbrauch haben – etwa weil stromsparende Geräte teurer sind –, könnte man die Systeme so regeln, dass sie mehr Energie aus der gemeinsamen Fotovoltaikanlage bekommen", gibt der Forscher ein Beispiel.

Auch hier soll gemeinsam mit den Mietern eine Datenbasis geschaffen werden, die zielführende Maßnahmen erlaubt. "Keinesfalls möchten wir an den Mieterinnen und Mietern vorbeientwickeln", sagt Ettwein. "Wir werden informieren, sensibilisieren und unsere Konzepte im Dialog mit den Bewohnern entwickeln."

Die Chancengleichheit bei der Energiewende steht auch in einem weiteren Projekt an der FH Technikum im Zentrum. In "DigitalEnergy4All" wird darüber nachgedacht, wie etwa Orte, Siedlungen, Stadtteile die vor Ort generierte Energie auch bestmöglich lokal nutzen können.

Neben geeigneten Regelungsalgorithmen geht es dabei auch um sozialwissenschaftliche Fragestellungen: Unter welchen Bedingungen sind etwa Nachbarn bereit, im Energiebereich gemeinsame Sache zu machen und beispielsweise die Kontrolle über die eigene Wärmepumpe zugunsten des Gesamtsystems abzugeben?

In "DigitalEnergy4All" ist man dabei auf der Suche nach Geschäftsmodellen, die nicht nur gewinnorientiert sind, sondern partizipativen oder genossenschaftlichen Charakter haben. (Alois Pumhösel, 19.5.2020)