VP-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg hat das Misstrauensvotum dank Koalitionstreue von Schwarz und Grün überstanden.

Foto: APA/EXPA/Johann Groder

Wegen der Abstandsregelung tagte der Tiroler Landtag im Innsbrucker Congress.

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Innsbruck – Die Aufarbeitung der Corona-Krise sorgte am Mittwoch im Tiroler Landtag für einen heftigen Schlagabtausch. Einerseits ging es um die Einsetzung einer Untersuchungskommission, andererseits um den Misstrauensantrag gegen VP-Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg. Im Zuge der Debatten ergaben sich neue politische Allianzen, alte gerieten unter Druck. So unterstützte die Regierungskoalition aus ÖVP und Grünen den Antrag der SPÖ, den ehemaligen Tiroler Richter Josef Geisler nebst dem Schweizer Krisenmanager Bruno Hersche als Kommissionsvorsitzenden zu nominieren. Beim Misstrauensantrag von FPÖ, Neos und Liste Fritz gegen Landesrat Tilg wurde versucht, durch eine geheime Abstimmung abtrünnige Grüne ins Boot zu holen. Doch der Antrag wurde abgelehnt.

Am Ende sprach sich eine Mehrheit für die Untersuchungskommission nach Vorschlag des SPÖ-Landeschefs Georg Dornauer aus. Mit den Stimmen der ÖVP, der Grünen und der SPÖ wurden Geisler und Hersche als Vorsitzende des Gremiums gewählt. Sie sollen nun selbst ein Team zusammenstellen. Der Misstrauensantrag gegen Tilg wurde wiederum abgelehnt. Die Koalitionsräson siegte, die Grünen stimmten zusammen mit der ÖVP gegen das Misstrauensvotum der Opposition – die SPÖ unterstützte den Antrag.

Heftige Diskussionen unter den Parteien

In der ausgiebigen Diskussion taten sich bermerkenswerte Bruchlinien in der Tiroler Politlandschaft auf. Einige Mandatare übten Kritik über alle Parteigrenzen hinweg. So etwa Elisabeth Blanik (SPÖ), die bemängelte, dass es die Landtagsparteien selbst angesichts der Krise nicht schafften, zusammen für eine unabhängige Aufarbeitung einzutreten. Sie warf allen Klubobleuten, auch dem eigenen, Georg Dornauer, vor, persönliche Befindlichkeiten voranzustellen. Zum Schaden Tirols. Auch der grüne Abgeordnete Michael Mingler machte keinen Hehl daraus, dass er den politischen Streit rund um die Besetzung der Untersuchungskommission für ein fatales Zeichen nach außen halte. Er sprach sich für einen Neustart in Form einer ganz neuen Kommission aus, denn die nun geplante sei bereits vor dem Start gescheitert.

SPÖ-Landeschef Dornauer, dessen Kooperation mit der Regierungskoalition unter den übrigen Oppositionsparteien für Unmut sorgte, setzte in seinem Redebeitrag zu einem Rundumschlag an. Er kritisierte die Volkspartei scharf: "Hört endlich auf mit den ständigen Auftritten zur Verteidigung, Verwässerung und Tatsachenverdrehung. Gesteht Fehler ein, und entschuldigt euch." Tirol sei weder vorbereitet gewesen, noch habe man richtig reagiert.

Dornauer forderte Rücktritte von Tilg und Katzgraber

Die Aufgabe der Untersuchungskommission sei nun, für eine faktenbasierte Aufarbeitung dieser Krise zu sorgen. Außerdem müsse ein "Mindestmaß an politischem Anstand" gewahrt werden. Dornauer forderte daher den Rücktritt der "gefährlichen Dilettanten", also von Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber und Gesundheitslandesrat Tilg. Zur – wegen seiner Nähe zu Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP), in dessen Personenkomitee zur Landtagswahl 2018 er war – umstrittenen Personalie Josef Geisler als Kommissionsvorsitzender sagte Dornauer: "Er ist unabhängig von der ÖVP, dazu stehe ich hier und jetzt. Er hat unbestritten die Kompetenz, diese große Aufgabe zu erfüllen." Die Kritik der Opposition wies er zurück, denn sie habe selbst keine brauchbaren Vorschläge zur Besetzung gebracht.

Dem widersprachen FPÖ-Chef Markus Abwerzger und Liste-Fritz-Obfrau Andrea Haselwanter-Schneider entschieden. Dornauer gehe es nicht um politische Aufarbeitung, sondern nur um die schnelle Schlagzeilen, so ihr Vorwurf. Abwerzger bezweifelte, dass der Anspruch einer unabhängigen und internationalen Kommission überhaupt noch erfüllt werden könne: "Ich hoffe zwar auf Aufklärung, glaube aber nicht mehr daran."

Sint: "Kommission schon vor Start gescheitert"

Haselwanter-Schneider griff die Grünen frontal an: "Sie sind maximal noch der Blinddarm dieser Regierung." Tirol dürfe "nicht von den Hörls (Seilbahnlobbyist und Nationalratsabgeordneter Franz Hörl von der ÖVP, Anm.) regiert" werden, so ihre Forderung. Ihr Parteikollege Markus Sint machte klar: "Es sind Fehler passiert." Er kritisierte vor allem, dass in Ischgl zu spät reagiert worden sei, nachdem Island den österreichischen Behörden mitgeteilt hatte, wo sich Urlauber angesteckt hatten. Sint warf der Landesregierung zudem vor, die ursprünglich angestrebte Konsenslösung zur Bestellung der Untersuchungskommission verhindert zu haben. Er sprach sich daher für einen "Neustart" aus, weil die Kommission nun schon im Vorfeld "von uns allen beschädigt" worden sei.

Der Klubobmann der Grünen, Gebi Mair, fand es "zum Schämen", dass die Konsenslösung gescheitert ist. Aber für ihn zeige sich dadurch, dass die Opposition das Land nicht regieren könnte. Denn sie habe nur polarisieren wollen mit ihren Vorschlägen: "Vielen ging es offenbar nur darum, die eigenen Kandidaten durchzubringen." Die grüne Zustimmung zur Personalie Geisler begründete Mair so: "Wäre Geisler von der Volkspartei vorgeschlagen worden, müsste man ihn ablehnen. Aber er wurde von der SPÖ vorgeschlagen."

Mair: "Opposition disqualifiziert sich selbst"

Den Misstrauensantrag gegen Gesundheitslandesrat Tilg kommentierte der grüne Klubobmann ebenfalls kritisch: "Die Einsetzung einer Kommission mit einem Misstrauensantrag zu verbinden ist unelegant." Sie zeuge davon, dass man an echter Aufarbeitung gar nicht interessiert sei, sondern schon vorab Konsequenzen ziehe. Solch ein Vorgehen disqualifiziere die Opposition laut Mair sogar, selbst noch Vorschläge zur Besetzung der Kommission einzubringen. Er nahm dabei auch die SPÖ nicht aus, die dem Misstrauensantrag zustimmte.

Neos-Tirol-Chef Dominik Oberhofer verwies auf den enormen Imageschaden, den Tirols Tourismus durch behördliches Fehlverhalten erlitten habe. Gerade in Hinblick auf die wirtschaftliche Zukunft sei daher eine wirklich objektive Aufarbeitung nötig, die von allen Landtagsparteien mitgetragen werde: "Alles andere wäre ein fatales Zeichen." Er habe von Beginn an vor Geisler, dem er nicht die prinzipielle Honorigkeit absprechen wolle, als Kommissionsleiter gewarnt, weil er zu sehr mit der ÖVP verbandelt sei.

Auch VP-Klubobmann Jakob Wolf meldete sich in der Debatte zu Wort. Er wiederholte den Vorwurf seiner Partei gegen die "Restopposition", dass diese die Krise nutze, um sich politisch zu profilieren. Der Misstrauensantrag gegen Tilg sein ungerecht, weil dieser nicht für das Coronavirus verantwortlich gemacht werden könne. Zur Kritik an Geisler als Kommissionsvorsitzendem pflichtete Wolf seinem Koalitionspartner Mair bei, der bereits festgehalten hatte, dass der ehemalige Richter im Vorjahr noch Wunschkandidat der Opposition als Leiter des U-Ausschusses zu den Tiroler Sozialen Diensten gewesen ist. (Steffen Arora, 13.5.2020)