US-Außenminister Pompeo (links) bei einem Israel-Besuch im Oktober 2019.

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Jerusalem – Bereits im Juli könnte der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu sein Wahlversprechen wahrmachen und der Knesset den Plan für eine Annexion wichtiger Teile des Westjordanlandes zur Abstimmung vorlegen. Es wäre der erste Schritt zur Umsetzung des umstrittenen Nahostplans von US-Präsident Donald Trump.

US-Außenminister Mike Pompeo hat zum Auftakt eines Israel-Besuchs am Mittwoch erneut den Willen der USA zur Umsetzung des Nahostplans von Präsident Trump bekräftigt. Man wolle über "die Friedensvision" Trumps sprechen, sagte Pompeo zu Beginn des Treffens mit Netanjahu in Jerusalem.

Plan erlaubt Annexion von Teilen des Westjordanlandes

Im Jänner stellte der US-Präsident im Beisein Netanjahus seinen lange angekündigten Nahostplan der Öffentlichkeit vor – und löste damit umgehend Empörung bei den Palästinensern aus. Zwar sollen die Palästinenser dem Plan zufolge die Möglichkeit erhalten, unter strengen Bedingungen einen eigenen Staat zu gründen. Grünes Licht geben die USA in dem Plan jedoch auch für eine israelische Annexion aller bestehenden jüdischen Siedlungen im Westjordanland sowie des strategisch wichtigen Jordantals. Insgesamt würden damit rund 30 Prozent des Westjordanlandes Teil des israelischen Staates.

Der Vorschlag erfüllt nicht die Erwartungen der Palästinenser, die alle seit dem Sechstagekrieg 1967 durch Israel besetzten Gebiete für sich in Anspruch nehmen und darauf bestehen, dass Ostjerusalem die Hauptstadt ihres künftigen Staates sein soll. Gemäß Trumps Plan könnte ein eigener Palästinenserstaat auf dem nach den israelischen Annexionen verbleibenden Gebiet des Westjordanlandes sowie des von der radikalislamischen Hamas kontrollierten Gazastreifens entstehen. Hauptstadt wäre demnach der Jerusalemer Vorort Abu-Dis, während Jerusalem laut dem Plan "ungeteilte Hauptstadt" Israels bleiben soll.

International wurde Trumps Plan heftig kritisiert. Die Uno betrachtet die israelischen Siedlungen in Ostjerusalem und im Westjordanland, in denen inzwischen mehr als 600.000 Menschen leben, als völkerrechtswidrig.

Gantz und Netanjahu werden am Donnerstag angelobt

Nach wochenlangen schwierigen Verhandlungen einigten sich Netanjahu und sein einstiger Rivale Benny Gantz im April auf eine Regierungskoalition – am Donnerstag soll die Angelobung stattfinden. Netanjahu hat Trumps Nahostplan als "historische Chance" für Israel bezeichnet. Auch der ehemalige Armeechef Gantz begrüßte den US-Vorschlag, äußerte sich aber gleichermaßen kritisch über ein einseitiges Vorgehen Israels.

Laut Koalitionsvertrag könnte Netanjahu dem israelischen Parlament ab 1. Juli eine mögliche Übereinkunft zwischen Israel und den USA über konkrete Annexionspläne zur Abstimmung vorlegen. Nach Einschätzung israelischer Medien könnte es bei einer solchen Abstimmung zunächst um eine Teilannexion gehen, etwa der Siedlung Maale Adumim am Stadtrand von Ostjerusalem.

Der Koalitionsvertrag betont auch die Notwendigkeit eines "internationalen Dialogs" über die Annexionspläne. Zugleich wird der Vorrang der "sicherheitspolitischen und strategischen Interessen des Staates Israel" hervorgehoben, "einschließlich der Notwendigkeit für die Aufrechterhaltung von regionaler Stabilität und bestehender Friedensvereinbarungen sowie für Bemühungen um künftige Friedensabkommen".

Uno warnt vor "zerstörerischem Schlag"

Die Palästinenser verurteilten eine mögliche Annexion von Teilen des Westjordanlands als "Ende der Zweistaatenlösung". Die Arabische Liga sprach sogar von einem "neuen Kriegsverbrechen" gegen die Palästinenser.

Die USA sind bisher das einzige Land weltweit, das eine Annexion von Teilen des Westjordanlandes durch Israel offiziell unterstützt. Im Vorfeld seines Israel-Besuchs bekräftigte Pompeo in einem Interview mit der israelischen Zeitung "Hayom", dass die Umsetzung der Annexionspläne aus Sicht der USA eine Entscheidung der israelischen Regierung sei.

Die Uno warnte Israel dagegen davor, mit einer Annexion der Zweistaatenlösung einen "zerstörerischen Schlag" zu versetzen. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell warnte, jede Annexion bedeute "einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Völkerrecht". (APA, 13.5.2020)