Im Winter nimmt der Feinstaubgehalt in asiatischen Großstädten dramatisch zu. Woran das liegt, haben nun Wissenschafter herausgefunden.

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Wien/Innsbruck – Wenn im Winter asiatische Metropolen dem Einwohnern Smog das Leben schwer macht, ist die Luft stets auch voller Feinstaub-Partikel. Überraschenderweise ist die Menge des Feinstaubs deutlich größer als sie eigentlich sein dürfte. Ein internationales Team mit Beteiligung von Forschern aus Wien und Innsbruck haben nun den Grund dafür herausgefunden: In den Straßenschluchten bilden sich aus Autoabgasen blitzschnell neue Feinstaub-Teilchen, berichten die Forscher im Fachjournal "Nature".

Sekundärer Feinstaub wächst schnell heran

Feinstaubpartikel mit einem Durchmesser kleiner als 2,5 Mikrometer entstehen vorwiegend direkt durch Verbrennungsprozesse zum Beispiel in Kraftfahrzeugen oder Heizungen. Die Experten bezeichnen das als "primären Feinstaub". Es gibt aber auch "sekundären Feinstaub", und zwar wenn sich organische Substanzen in Gasform wie Schwefelsäure, Salpetersäure oder Ammoniak an winzige Nanopartikel anlagern und dadurch größere Teilchen heranwachsen.

Bisher war unklar, wie sich diese sekundären Feinstaubpartikel in den stark belasteten Ballungsräumen neu bilden können. Denn Berechnungen zufolge sollten sich die winzigen Teilchen eher an die reichlich vorhandenen größeren Partikel anlagern als neue zu bilden.

Nachgestelltes Straßenklima

Um die Entstehung sekundären Feinstaubs zu ergründen, haben Wissenschafter im internationalen Atmosphären-Forschungsprojekt CLOUD (Cosmics Leaving Outdoor Droplets) am Europäischen Labor für Teilchenphysik CERN in Genf (Schweiz) in einer Klimakammer Bedingungen wie in den Straßen von Mega-Cities nachgestellt. Dort kommt es in den Straßenschluchten durch die hohen Emissionen auf Straßenniveau und die geringe Luftzirkulation zu einer lokalen Erhöhung von Schadstoffen wie Ammoniak und Salpetersäure, die sich in der Straßenluft kurzzeitig stark anreichern.

In so hohen Konzentrationen können die beiden Schadstoffe an wenigen Nanometer kleinen Partikel kondensieren. Es bildet sich Ammoniumnitrat und die winzigen Nanopartikel legen innerhalb weniger Minuten sehr rasch an Größe zu und bilden stabile Aerosolpartikel. Das Wachstum erfolgt dabei teilweise einhundert Mal schneller als dies bisher von anderen Schadstoffen wie Schwefelsäure bekannt war.

Nur bei niedrigen Temperaturen

Dieser Prozess trägt damit in Ballungszentren deutlich zur Bildung von Feinstaub bei – das aber nur im Winter: Denn der Prozess läuft nur bei Temperaturen von weniger als etwa fünf Grad Celsius ab. "Bei wärmeren Bedingungen sind die Teilchen zu flüchtig und könnten daher keinen Beitrag zum Wachstum liefern", so der Aerosolphysiker Paul Winkler von der Universität Wien.

Die Wissenschafter vermuten, dass sich Aerosolpartikel aus Ammoniak und Salpetersäure gelegentlich auch in höheren Luftschichten der Atmosphäre bilden. Das vor allem durch landwirtschaftliche Aktivität entstehende Ammoniak gelangt dabei durch aufsteigende Luftströmungen in die obere Troposphäre. Salpetersäure wird durch Blitze aus dem Luftstickstoff gebildet. Bei den niedrigen Temperaturen in diesen Höhen "bilden sich neue Ammoniumnitratpartikel, die als Kondensationskeime bei der Wolkenbildung eine Rolle spielen", so der Ionenphysiker Armin Hansel von der Universität Innsbruck.

Seit rund zehn Jahren erforscht ein internationales Forscherteam mit österreichischer Beteiligung im Experiment CLOUD am CERN, wie neue Aerosolpartikel in der Atmosphäre aus Vorläufergasen gebildet werden und weiter zu Kondensationskeimen wachsen. (red, APA, 23.5.2020)