Noch ist’s eher leer in den Schulen. Matura- und Abschlussklassen machten am 4. Mai den Anfang, doch am Montag folgen die Unterstufen.

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Er könne sich wohl schlecht hinstellen und die Schule nicht aufsperren – auch wenn ihm noch zahlreiche Liter an Desinfektionsmittel fehlen, sagt ein Schulleiter zum STANDARD.

Sie empfinde die Schulöffnung am kommenden Montag als vom Bildungsministerium angesetzten Testlauf für den Herbst, erklärt eine Kollegin.

Für ihn ist die Rückkehr zum Unterricht in den Klassen nichts anderes als ein unnötiger und gesundheitsgefährdender Akt, formuliert es ein besorgter Pädagoge.

Ob die ganze Aktion sinnvoll sei? Sie wisse es nicht, erklärt eine weitere Direktorin knapp vor der Wiederaufnahme des Unterrichts an ihrem Schulstandort.

Am 18. Mai startet laut Bildungsminister Faßmann (ÖVP) Etappe II nach der Corona-bedingten Zwangspause – rund 700.000 Schülerinnen und Schüler zwischen sechs und 14 Jahren sollen wieder in der Klasse unterrichtet werden. Wie viele von ihnen tatsächlich kommen werden? Sie habe bereits rund 20 Abmeldungen, berichtet eine der genannten Schulleiterinnen. Andere würden die Eltern geradezu motivieren, das Kind daheim zu lassen, gibt eine Lehrkraft an. Schließlich komme das auch der ohnehin schon schwierigen Organisation an der eigenen Schule zupass.

Pragmatisch bis alarmiert

Es sind ausgewählte Einblicke von einer Handvoll Gesprächspartnern, die ob der heiklen Aufgabe, die ihnen bevorsteht, alle anonym bleiben wollen. Ihre Tonalität variiert zwischen pragmatisch bis alarmiert. Aber ein roter Faden zieht sich durch: Jene pädagogischen Führungskräfte, die die bevorstehende Wiederöffnung der Schulen zu organisieren und letztlich auch zu verantworten haben, fühlen sich alleingelassen. Vor wenigen Tagen schlug dann auch die Wiener Pflichtschullehrergewerkschaft Alarm: Unzureichend vorbereitet sei das Ganze – von hygienischen Maßnahmen bis zu organisatorischen Fragen.

Kurzer Rückblick: Nach Wochen öffentlicher Ratlosigkeit, wie die Rückkehr an die Schulen aussehen könnte, sofern die Zahl der Infektionen dies zulassen würden, verwies der Bildungsminister dann Ende April großzügig auf die Autonomie der Schulen. Ihnen sei es überlassen, wie der zwecks "Verdünnung" der Schülerzahlen verordnete Schichtbetrieb genau aussehen soll, erklärte Faßmann – selbst ein Verfechter des Drei-Tage-Zwei-Tage-Wechselspiels. Ganz selbstständig haben dann auch alle ihr eigenes Modell umgesetzt und wie gewünscht den Eltern bis 4. Mai mitgeteilt. Zwei Tage später war alles wieder anders: Die Bildungsdirektionen haben dafür zu sorgen, dass die Einteilung Rücksicht nimmt auf Geschwisterkinder an anderen Schulen, hieß es da, wohl einige wütende Eltern-E-Mails später, aus dem Ministerium. Stichwort Musikunterricht. Ursprünglich komplett abgesagt, gab es kurz darauf eine ganz andere Anweisung, nämlich: Singen nein, Musiktheorie ja.

"Politik auf Zuruf"

"Ich hab das Gefühl, das ist Politik auf Zuruf", formuliert es ein Schulleiter. Dass dabei nicht immer die durchdachtesten Lösungen rauskommen, sei naheliegend. Er frage sich aber schon, "was bringt der ganze Aufwand" – nämlich nicht nur für die Behörden, sondern auch für Eltern und ihre Kinder. Herr X glaubt nicht, "dass die Ermöglichung eines geregelten Schulalltags der einzige Grund" für die holprige Wiederaufnahme des Unterrichts sei. Er vermutet auch wirtschaftliche Interessen hinter dem "Hochfahren" so knapp vor den Sommerferien.

14 Unterrichtstage. Auf diese Anzahl kommt Lehrer Y, wenn er sich die bevorstehenden Schulwochen für Unterstufenschülerinnen und -schüler ansieht. In der Oberstufe zählt er überhaupt nur zehn. Schulleiterin Z hält eine solche Kurzzeit-Reunion vor allem aus sozialen Gründen für berechtigt. Pädagogisch könne man da keine Wunder bewirken.

Schwer einhaltbare Regeln

Mit wem man auch spricht, die meisten Direktorinnen und Direktoren hätten lieber auf ein verstärktes Betreuungsangebot gesetzt, auch um jene Schülerinnen und Schüler wieder besser zu erreichen, die beim Distance-Learning den Anschluss verloren haben. In der somit gewonnenen Zeit hätte man sich ein vernünftiges System für den Herbst überlegen können, wird argumentiert. Schule wie bisher sei unter den neuen Rahmenbedingungen nämlich voller Widersprüche und kaum einhaltbarer Regeln.

Eine ganze Reihe von Kindern und Jugendlichen wird ihre Pausen künftig etwa am Platz verbringen – das Ministerium empfiehlt dies für Klassen mit ungeraden Klassenbezeichnungen. Lehrkräften wird geraten, das Konferenzzimmer zu meiden. Auch Gruppenwechsel gelten als unerwünscht – allerdings findet die gleichzeitig angebotene Betreuung meist in Sammelgruppen statt. Am Religionsunterricht wird festgehalten. Dabei sind die Lehrkräfte für den konfessionellen Unterricht oft an mehreren Standorten tätig. Heißt für die Schulleitungen: "Da nutzt mir die besten Gruppenaufteilung nichts."

Der Druck auf die Praktiker vor Ort ist enorm. Ihr Wunsch an die Politik ein vergleichsweise bescheidener: Sie wollen Regelungen, die sich nicht ständig ändern, und es solle dafür gesorgt sein, dass sie diese Regeln auch einhalten können. (Karin Riss, 13.5.2020)