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PRO: Über die Hemmschwelle

von Eric Frey

Natürlich ist die Entscheidung der Stadt Wien, Wirtshaus-Gutscheine in der Höhe von 25 oder 50 Euro unter die Leute zu bringen, eine frühe Wahlkampfaktion. Aber es ist auch ein kluger wirtschaftspolitischer Schritt. Denn wenn die Gastronomie am Freitag aufmacht, drohen zahlreiche Gäste auszubleiben. Die anhaltenden Beschränkungen senken nicht nur die Zahl der Sitze pro Lokal und Tisch, sondern auch die Erwartungen für ein vergnügliches Erlebnis. Dieses Szenario ist für viele Wirte noch schlimmer als die Schließung: Sie hätten zwar die Betriebskosten, aber nicht die Umsätze.

Daher geht es nun darum, potenzielle Gäste über diese Hemmschwelle zu tragen. Wer einen Gutschein erhält, will ihn nicht verfallen lassen. 25 Euro reichen zwar nur für ein oder zwei Mahlzeiten, werden aber bei vielen den Weg für weitere Besuche ebnen. Dadurch kann die Wiener Initiative den Wirten mehr helfen als die vom Bund verfügte Steuersenkung auf nichtalkoholische Getränke.

Dass das Geld per Gießkanne an alle geht und nicht nur an jene, die es brauchen, ist kein Fehler. Schließlich sind die Gutscheine nicht als Sozialhilfe gedacht, sondern als Anreiz zum Konsum. Sie entsprechen dem Konzept des "Helikoptergeldes", mit dem Ökonomen eine ins Stocken geratene Wirtschaft anzukurbeln empfehlen – aber zu einem recht geringen Preis. Die 40 Millionen Euro kann sich die Stadt mit ihrem Milliardenbudget leisten. (Eric Frey, 13.5.2020)

KONTRA: Jausengeld für Villenbesitzer

von András Szigetvari

Krise und Wahlkampf kann eine fatale Kombination sein. Das zeigt sich aktuell gut in Wien. Denn der Vorstoß von Bürgermeister Michael Ludwig von der SPÖ, jedem Haushalt einen Gutschein für die Gastronomie zu schenken, mag gutgemeint sein – natürlich sind Wirtshäuser und Restaurants ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Doch die Aktion ist sozialpolitisch eine Bankrotterklärung.

In mehreren Ländern und Regionen wurden als Folge der Pandemie Einkaufsgutscheine an alle Haushalte verteilt: In Hongkong etwa. In den USA gibt es ebenfalls pauschal Geld für alle Haushalte. Im Gegensatz zu Österreich verfügen aber weder Hongkong noch die USA über einen funktionierenden Sozialstaat. In Österreich gibt es treffsichere Methoden, um arme Haushalte zu unterstützen. Wie wäre es mit einem Kinderbonus für Arbeitslose, Bezieher der Mindestsicherung oder Alleinerziehende? Wozu Geld an alle verschenken? 50 Euro aus Steuermitteln an den Villenbesitzer in Währing zu zahlen ist sozialpolitisch und in Wahrheit auch ökonomisch nicht sinnvoll.

Denn die Aktion kostet bis zu 40 Millionen Euro, und dieses Geld hätte besser investiert gehört. Wer die Wirtschaft ankurbeln will, kann die Infrastruktur erneuern. 40 Millionen wären auch in der Bildung gut angelegt, etwa als Unterstützung für Arbeitslose oder benachteiligte Kinder. So ist es ein teures und für viele unnötiges Wahlgeschenk. (András Szigetvari, 13.5.2020)