Die Statistik Austria soll in ruhigeres Fahrwasser kommen.

Die Corona-Pandemie ist auch für die Statistik Austria eine turbulente Zeit. Die obersten Wächter über diverseste Datensätze in der Republik sehen sich immer wieder Kritik aus den Reihen der Wissenschaft ausgesetzt. In anderen Ländern werden Informationen schneller und besser zugänglich gemacht, so der Vorwurf.

Die Beschwerdeführer haben bald einen neuen Namen, an den sie sich wenden können: Wie DER STANDARD erfahren hat, wird der Ökonom Tobias Thomas der neue fachlicher Leiter der Statistik Austria. Die Stelle war seit Dezember vakant, nachdem der bisherige Statistikchef Konrad Pesendorfer zurückgetreten war. Pesendorfer ging überraschend zur Statistikbehörde in Saudi-Arabien. Seinem Abgang waren turbulente Monate vorausgegangen.

Im Februar 2019 war bekannt geworden, dass das Kanzleramt eine Reform der Statistik plant. Unter anderem sollte die Außenkommunikation der Institution näher an das Kanzleramt angebunden werden, eine Reihe von Reformprojekten wurde gestoppt. Es folgte ein Aufschrei der Opposition, die vor Message-Control bei den obersten Datenhütern warnte.

Neustart unter Ökonom

Mit dem 45-jährigen gebürtigen Deutschen Thomas soll nun der Neustart gelingen. Er war bisher Leiter des Wirtschaftsforschungsinstituts Eco Austria. Das private Institut steht der Industriellenvereinigung nahe, wird auch von ihr finanziert. Eco Austria erstellt wirtschaftspolitische Analysen zu diversen Themen. Thomas ist zudem außerordentlicher Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Während zu Pesendorfers Lieblingsthemen die sozialpolitische Analyse zählte, dürfte sich der Schwerpunkt mit Thomas verlagern – zumindest wenn man vergangene Interviews und Beiträge von ihm liest. Thomas hat sich etwa wiederholt kritisch zur Berichterstattung über die wachsende soziale Ungleichheit geäußert. Sein Punkt war, dass sich die Einkommensungleichheit gemessen am Gini-Koeffizienten in Österreich und Deutschland nicht erhöht hat. Die massive Berichterstattung zu dem Thema habe aber zugenommen. Die Erwiderung von Kritikern lautete: Zu einem großen Teil aufgehängt ist die Ungleichheitsdebatte freilich nicht an Einkommen, sondern an Vermögen.

Thomas hat auch immer wieder betont, dass es problematisch sei, wenn Menschen gegenüber Märkten und Wettbewerb zu skeptisch sind. Beides fördere den Wohlstand. Im vergangenen Sommer kritisierte er gemeinsam mit Kollegen in einem Beitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" die Mietpreisbindungen im Wiener Altbau: Eine Freigabe würde zwar teilweise zu höheren Mieten führen, aber auch zu höheren Investitionen und zu einer regeren Bautätigkeit. Das könnte die Nachfrage nach Wohnungen besser befriedigen, so Thomas in dem Artikel.

Petrovic bleibt

Die Personalauswahl erfolgte nach Hearings mehrerer Bewerber im Bundeskanzleramt. Eine Kommission hat dann einstimmig diesen Personalvorschlag an Kanzler Kurz unterbreitet – der ihn angenommen hat. Der Kommission gehörten auch Personalvertreter der Statistik Austria an, die von sozialdemokratischen Vertretern dominiert ist.

Bei der kaufmännischen Leitung der Statistik ändert sich nichts: Gabriela Petrovic bleibt am Ruder. Die Juristin ist dort seit 2000 im Amt. Sie hatte einen internen Streit mit Pesendorfer, nachdem Türkis-Blau an die Macht gekommen war, und beteiligte sich auch an den erwähnten Reformplanungen vom Bundeskanzleramt aus – weshalb sie auch in der Statistik bei einem Teil der Belegschaft in die Kritik geraten war. (András Szigetvari, 13.5.2020)