Bis die heimische Wirtschaft wieder erblüht, dürfte trotz anderslautender Ankündigungen der Regierung noch einige Zeit vergehen. Die Angst vor Corona drückt die Stimmung.

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Die Regierung jubiliert: Mit der Eindämmung des Coronavirus habe sie auch die Basis für eine wirtschaftliche Erholung gelegt. Die heimische Wirtschaft werde laut Prognosen besser durch die Krise kommen als andere Staaten, meinte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) vergangene Woche. Das lässt sich derzeit nicht widerlegen. Allerdings spricht die aktuelle Entwicklung nicht dafür, dass das Land das ersehnte Comeback feiert.

Um die Lage einzuschätzen, sind Ökonomen auf Umfragen und andere Indikatoren angewiesen. Dazu zählt der Stromverbrauch, der zwar nicht immer präzis, aber von der Tendenz her recht verlässlich die wirtschaftliche Entwicklung veranschaulicht. Einige Volkswirte haben Werkzeuge entwickelt, mit denen man saisonale Schwankungen, Feiertage oder auch die Außentemperaturen bereinigen und somit eine recht gute Basis für den Vergleich einzelner Länder entwickeln kann.

Stromverbrauch stark gesunken

Der Brüsseler Thinktank Bruegel beispielsweise publiziert einen eigenen "Electricity Tracker", der auf Tagesbasis erstellt wird. Er gibt Hinweise darauf, dass Österreich nach dem strengen Lockdown immer noch im wirtschaftlichen Halbschlaf liegt. Der Stromverbrauch liegt nicht nur deutlich hinter skandinavischen Ländern zurück, unter denen Schweden mit seinem Sonderweg von der Regierung gerne als Negativbeispiel dargestellt wird; auch in Deutschland, Spanien, Frankreich und vielen anderen Staaten wird deutlich mehr Elektrizität konsumiert als hierzulande, wo das Minus gegenüber dem Vorjahr in der vergangenen Woche bei 18 Prozent lag.

Zum Vergleich: Deutschland verbrauchte sieben Prozent, Schweden zwei Prozent weniger Strom. Eine Woche für sich genommen sagt noch nicht allzu viel aus. Doch im Vergleich zu Deutschland, der Schweiz und Skandinavien hinkt Österreich schon länger hinterher. Hingegen überholten Frankreich und Spanien die Alpenrepublik erst kürzlich.

Tourismus bremst stark

Unter Ökonomen werden nun mehrere Faktoren diskutiert, die zu dieser Entwicklung führen. Eine Ursache dürfte in der großen Bedeutung der Freizeitwirtschaft liegen, die – Tourismus, Gastronomie und Veranstaltungen zusammengenommen – 15 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht. Das ist der dritthöchste Wert in Europa.

Schramböck, Blümel und Aschbacher (von links) sehen Österreich in einer guten Position für den Aufholprozess.
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Zweiter Aspekt: Mit Italien und den USA sind das zweit- und drittgrößte Zielland österreichischer Ausfuhren von Corona stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Doch darüber hinaus wird verstärkt gemutmaßt, dass ein Instrument auch negative Anreize hat, das bisher besonders hoch gelobt wurde: die Kurzarbeit. So sehr sie Personen in Beschäftigung hält und durch hohe Nettoersatzraten auch den Konsum stützt, könnte die Kurzarbeit mit derzeit 1,3 Millionen Betroffenen ein stärkeres Hochfahren bremsen.

Anreiz sinkt

Das hängt damit zusammen, dass die Fixkosten der Mitarbeiter durch Kurzarbeit gedeckt sind, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien (IHS). "Dadurch sinkt der Anreiz, zusätzliche Beschäftigung zu suchen", sagt der Arbeitsmarktexperte. Das gelte insbesondere im Handel und bei anderen Dienstleistungen, wo die Nachfrage ohnehin schwach sei. Zusätzliches Geschäft werde weniger stark angestrebt, als es ohne die Arbeitsmarktbeihilfe möglicherweise der Fall wäre.

Hofer betont freilich auch, dass es mehr Kündigungen geben würde, wenn die Kurzarbeit weniger attraktiv wäre, was deutlich negativer sei. "Manchmal hat man nur schlechte Alternativen."

Kein Allheilmittel

Hofer meint auch, dass die Kurzarbeit für vorübergehende Einbrüche geeignet sei, nicht für die Abfederung länger anhaltender Umwälzungen. Was er meint: Digitalisierung oder E-Mobilität sind ohnehin im Gange und führen zu Jobverlusten, aber auch zu neuen Arbeitsplätzen. Hier befürchtet Hofer, dass die Anpassung hinausgezögert wird, wenn die Kurzarbeit zu lange dauert.

Auch die Denkfabrik Agenda Austria beschäftigt sich mit dem Thema. Allerdings sieht ihr Direktor Franz Schellhorn nicht in der Kurzarbeit das Problem des Landes, sondern im fehlenden Optimismus. "Die Prophezeiungen einer zweiten Infektionswelle sorgen bei den Unternehmen nicht gerade für Euphorie", sagt Schellhorn. Er sieht zudem die Handelsverflechtung mit Ländern, die stark von Corona betroffen sind, als Grund für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten.

Allerdings plädiert auch Agenda Austria bei einer Verlängerung von Kurzarbeit für Adaptionen, mit denen die Kosten begrenzt würden. Vorgeschlagen wird ein Bonus-Malus-System. Profitieren sollen Unternehmen, die weniger Kurzarbeit in Anspruch nehmen. Betriebe mit intensiver Nutzung könnten nachträglich höhere Steuern auf spätere Gewinne zahlen. (Andreas Schnauder, 14.5.2020)