Bewohner der nordperuanischen Stadt Piura beim räumlichen Distanzieren auf dem Markt der Stadt. Peruaner, die in der Küstenregion leben, tragen besonders häufig eine Genvariante in sich, die stärker als alle anderen bekannten die Körpergröße verringert.

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Die größten sind die Niederländer. Mit einem Mediangröße von 175,6 Zentimetern (Frauen und Männer zusammen) überragen die Oranjes des Jahrgangs 1994 die Jahrgangskolleginnen und -kollegen aller anderen Länder dieser Planeten. Das war freilich nicht immer so: Vor 200 Jahren zählten die männlichen Niederländer mit durchschnittlich 164 cm noch zu den kleinsten Europäern. Heute halten sie bei 184 cm.

Am anderen Ende der Länderstatistik stehen einige asiatische und afrikanische Länder. Auf dem amerikanischen Doppelkontinent sind die Peruanerinnen und Peruaner besonders klein gewachsen: Die Männer des Jahrgangs 1994 messen 165,2 cm, die Frauen 152,9 cm. Macht zusammengenommen etwas über 1,59 m – also mehr als 16 cm weniger, als die gleichaltrigen Niederländerinnen und Niederländer messen.

Gene und/oder Umwelt?

Die Körpergröße und ihre Unterschiede zwischen Nationen sind vor allem für Populationsgenetiker ein spannendes Thema. Denn an diesem Merkmal lassen sich die Einflüsse von Genen und der Umwelt besonders gut studieren. Sind es eher genetische Faktoren und die Selektion, die Unterschiede in der durchschnittlichen Körpergröße erklären? Oder tragen vor allem andere Faktoren wie eine bessere Ernährung zum Größenwachstum etwa der Niederländer bei?

Schon vor über 100 Jahren war es Statistikern wie Ronald Fisher klar, dass eine Vielzahl von Genen einen jeweils kleinen Beitrag zur Körpergröße leisten dürften. Das wurde in den letzten Jahren durch sogenannte genomweite Assoziationsstudien (GWAS) bestätigt. Mittlerweile kennt die Wissenschaft fast 4.000 häufige DNA-Variationen, die Einfluss auf die Körpergröße nehmen. Ihr jeweiliger Anteil ist entsprechend minimal. Doch zusammengenommen können sie zumindest 20 Prozent der Unterschiede erklären.

Besondere Variation eines Gens

Nun aber fanden Forscher bei einer GWAS an 3.134 Peruanern eine Genvariante, die sich extrem stark auf die Körpergröße auswirkt: Wie die Bioinformatikerin Samira Asgari (Brigham and Women's Hospital und Harvard Medical School in Boston) und ihr Team im Fachblatt "Nature" berichten, reduziert die Mutation namens E1297G im sogenannten Fibrillin1- bzw. FBN1-Gen die Körpergröße um 2,2 cm pro Allel. Wird die Variante von beiden Elternteilen vererbt, verringert das die Größe um durchschnittlich minus 4,4 cm, wie eine weitere GWAS in einer unabhängigen Kohorte von 598 Peruanern bestätigte.

Damit produziert diese Genvariante eine größere Abweichung als jede andere der fast 4.000 bekannten Varianten, die einen Einfluss auf die Körpergröße haben. Das Gen Fibrillin1 produziert ein Protein, das an der Bildung von Knochen, Bindegewebe, Haut und anderen Geweben beteiligt ist. Einige seltene FBN1-Varianten führen zum sogenannten Marfan-Syndrom, einer Erkrankung, die dazu führt, dass Menschen groß, schlaksig und anfällig für Herz- und Blutgefäßerkrankungen und andere Gesundheitsprobleme sind. Doch jene Peruaner mit der in diesem Land häufigen Variante E1297G sind nach keiner pathologischen Definition krank, wie Samira Asgari betont.

Anpassung an die Küstenregion?

Ihr Team ermittelte dann auch noch die Häufigkeit der Mutation nach drei verschiedenen geografischen Regionen Perus: bei 28 Personen aus dem Amazonasgebiet, 46 Personen aus der Küstenregion und 76 Personen aus den Anden. Die Variante, die rund fünf Prozent der Peruaner in sich tragen, kam bei der Stichprobe in der Küstenbevölkerung deutlich häufiger vor, was zur Vermutung führte, dass eine kleinere Statur das Ergebnis einer Anpassung an die Küstenlage sein könnte.

Das Rätsel, um welche Faktoren es sich dabei handeln könnte, bleibt freilich (noch) ungelöst. (tasch, 16.5.2020)