Große Reden vor großen Menschenmassen wird Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) in diesem Wien-Wahlkampf eher nicht schwingen.

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In Wien ist der Vorwahlkampf bereits voll im Gange. Auch wenn sich dieser vorerst anders gestaltet als üblich. Nicht auf der Straße wird momentan Stimmung gemacht, sondern auf der politischen Corona-Bühne. Die Bundes-ÖVP klagt das rotgeführte Wien an, man habe die Covid-Entwicklung samt Infektionszahlen nicht im Griff, und bietet ihre Unterstützung an. Wien wiederum spielt den Ball zurück zum Bund und zur ÖVP. Im Spiel Wien gegen Bund kämpft man bereits um Wählerstimmen.

Dabei stellt sich die Frage: Können Wahlen in der aktuellen Corona-Lage überhaupt abgehalten werden? Aufhorchen ließ diesbezüglich bereits Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk, der die Möglichkeit einer verfassungskonformen Wahlabwicklung in Zeiten der Pandemie grundsätzlich infrage stellte. Funk ist überzeugt, eine Wahl ohne Wahlkampf sei nicht möglich, wie er der Presse sagte.

Der Verfassungsjurist Peter Bußjäger kann die Bedenken im Gespräch mit dem STANDARD nachvollziehen. Allerdings: "Ich würde sie nicht in der Dramatik teilen." Demokratische Wahlen seien ohne Wahlkampf zwar nicht verfassungskonform. Doch auch wenn der klassische Straßenwahlkampf durch die aktuelle Situation eingeschränkt ist, heiße das nicht, dass er gar nicht stattfinde. "Plakate wird es immer geben", nennt Bußjäger ein Beispiel. Und wenn es möglich ist, trotz der Coronavirus-Krise einen Marktstand zu betreiben, werde es wohl auch möglich sein, einen kleinen Wahlkampfstand aufzubauen – "unter Einhaltung der Abstandsregeln", sagt der Jurist.

Wien ist sich sicher

In Wien verweist man auf die Steiermark. Diese wählt bereits im Juni, "wir gehen also davon aus, dass auch im Herbst unter den Rahmenbedingungen, die der Gesundheitsminister vorgibt, eine Wahl möglich ist", heißt es aus dem Büro des zuständigen Stadtrats Jürgen Czernohorszky (SPÖ). Und: "Aus heutiger Sicht gibt es keine Bedenken, die Wahl am 11. Oktober durchzuführen."

Auf diesen Termin arbeiten auch die Parteien vorerst hin. Der Wahlkampf wird von der Straße ins Internet verlegt, Hausbesuche und Veranstaltungen wurden bei allen Parteien vorerst abgesagt oder zumindest verschoben. Auch die Wahlbehörde bereite sich "bereits intensiv" auf den von Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) angekündigten Wahltermin vor, heißt es im Rathaus. Neben Experten der Wahlorganisation arbeite ein Team aus Gesundheitsexperten, Epidemiologen, Mathematikern, Juristen und Logistikern an der Planung einer "sicheren und ordnungsgemäßen Durchführung".

An oberster Stelle stehe, dass alle Wahlberechtigten ihr Wahlrecht ausüben können. Die konkreten Maßnahmen würden rechtzeitig vor der Ausschreibung vorgelegt. Dafür hat Ludwig noch Zeit; spätestens drei Monate vor der Wahl muss dies passieren.

Steiermark verzichtet auf Wahlkampf

In der Steiermark, dem ersten Bundesland, das heuer wählt, beurteilt man die Gefahr einer Anfechtung der Gemeinderatswahlen – ohne Graz – am 28. Juni als vernachlässigbar. Es sei schließlich keine "neue" Wahl, sondern die Fortsetzung der ursprünglich für den 22. März angesetzten, die wegen der Corona-Pandemie verschoben wurde.

"Wir haben ja eigentlich unsere Wahlkämpfe schon hinter uns, daher kann das Argument, dass die Wahl angefochten werden könnte, weil es in Corona-Zeiten keinen Wahlkampf geben kann, bei uns nicht greifen", sagt Detlev Eisel-Eiselsberg, Landesgeschäftsführer der Landeshauptmannpartei ÖVP.

Verfassungsjurist Bußjäger ist anderer Meinung und hält die Argumentation für eine eher "kühne" Behauptung. Schließlich hätten sich in den vergangenen Wochen und Monaten neue Themen aufgetan. Hinzu komme, dass die Listen eventuell nicht zu 100 Prozent mit jenen, die vor dem ersten Termin eingereicht wurden, ident seien. Neuen Kandidaten müsste die Möglichkeit gegeben werden, sich vorzustellen.

Die Chefin der Verfassungsabteilung des Landes, Waltraud Bauer-Dorner, widerspricht heftig. Es gebe keinen Anlass zur Sorge. "Nein, wir sehen da überhaupt keine Probleme, die Wahl wurde ja nur ausgesetzt, die Wählerlisten sind ja auch gleich geblieben. Wegen der drei Monate Aussetzung haben wir keine Bedenken."

Von dem Argument der eingeschränkten Möglichkeit eines Wahlkampfs hält auch Klaus Poier, Professor am Institut für öffentliches Recht und Politikwissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz, wenig. Zwar seien die persönlichen Kontakte eingeschränkt, und ein Wahlkampf mit Massenveranstaltungen oder Hausbesuchen sei in der Form wie früher nicht mehr möglich, "aber wir leben in einer digitalisierten, medialisierten Welt mit ganz anderen Möglichkeiten".

Ändern wird sich in jedem Fall die Situation in den steirischen Wahllokalen: strenge Abstandsregeln, Desinfektionsmittel, jeder muss sein eigenes Schreibgerät mitnehmen. Wer dies vergisst, bekommt einen Einwegschreiber.

Vorarlberg wählt im Herbst

Auch in Vorarlberg wird man für die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterdirektwahlen, die eigentlich am 15. März hätten stattfinden sollen, eigene Corona-Regelungen erlassen müssen. Der Urnengang war wegen des Virus auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Nun kamen Landesregierung und Gemeindeverband überein, die Wahlen am 6. September nachzuholen. Voraussetzung dafür ist, dass ein entsprechender Gesetzesentwurf im Juni-Landtag beschlossen wird.

Dieser sieht einige bürokratische Erleichterungen vor. So können Wahlvorschläge, die für die ursprünglichen Wahlen eingebracht wurden, grundsätzlich beibehalten werden. Das erspart den Listen und Parteien das erneute Sammeln von Unterstützungserklärungen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, die Wahlvorschläge zurückzunehmen und zu ändern oder ganz neu einzubringen. In letzterem Fall müssen aber erneut Unterschriften gesammelt werden. (Steffen Arora, Oona Kroisleitner, Walter Müller, 21.5.2020)