Uwe E. Berger ist Leiter der Forschungsgruppe Aerobiologie und Polleninformation beim Pollenwarndienst der Med-Uni Wien.
Foto: Pollenwarndienst Med-Uni Wien, HNO Klink

STANDARD: Wie geht es Pollenallergikern in Corona-Zeiten?

Berger: Weil die Masken auch Pollen abwehren, haben Allergiker nun deutlich weniger Beschwerden. Tragen sie dazu noch Sonnenbrille und einen Hut, sind sie besonders gut geschützt. Hinzu kommt, dass die Menschen derzeit auch mehr Zeit zu Hause verbringen, soziale Kontakte meiden und daher den Pollen nicht so stark ausgesetzt sind. Sowohl bei Frühblühern als auch bei Gräsern war und ist es eine starke Saison.

STANDARD: Sie hätten doch schon längst Masken tragen können.

Berger: Ja, wir haben die Masken auch schon vor Jahren für Allergiker empfohlen. Allerdings hat sich das nicht durchgesetzt. Bei uns wirkt es doch eher seltsam, wenn jemand eine Maske trägt – zumindest vor Corona war das so.

STANDARD: Haben Sie Daten dazu, dass die Symptome zurückgegangen sind?

Berger: Ja. Im Pollentagebuch tragen Allergiker ein, wie es ihnen geht. Das dient zur Diagnoseunterstützung und macht die Therapie effektiver, für die Betroffenen wird außerdem eine personalisierte Polleninformation erstellt. Aus den Daten in den Pollentagebüchern wissen wir, dass Allergiker derzeit weniger Symptome haben als üblich.

STANDARD: Werden Allergie- und Corona-Symptome verwechselt?

Berger: Wir bekommen viele Anfragen von besorgten Bürgern, die Allergiebeschwerden haben, sich aber Sorgen machen, es könnte Covid-19 sein. Vor allem sind das Allergiker, die heuer erstmals Symptome haben. All jene, die schon seit Jahren Beschwerden haben, die sehen die ganze Sache gelassener. Husten ist etwa ein Symptom, das in beiden Fällen auftreten kann. Prinzipiell gibt es aber klare Unterscheidungsmerkmale. Wir haben eine Checkliste erstellt, die deutlich zeigt, welche Symptome zu einer Allergie und welche zu Covid-19 gehören.

Foto: Med-Uni Wien

STANDARD: Gehören Pollenallergiker zur Risikogruppe?

Berger: Nein, die bisher vorhandenen Daten weisen nicht darauf hin, dass das Risiko erhöht ist. Allergiker haben ja kein schwaches oder gestörtes Immunsystem, sondern eines, das überreagiert.

STANDARD: Hatte die Krise auch bei Allergikern in der Regelversorgung Auswirkungen?

Berger: Es kommen viel weniger Patienten in die Ambulanzen als normalerweise, weil sie fürchten, sich dort anzustecken. Einige Patienten haben außerdem die Injektionsbehandlung ihrer Immuntherapie aufgeschoben, dadurch verlieren sie ein Jahr. Wer daheim Medikamente einnimmt, Tropfen oder Tabletten, sollte sie ganz normal weiternehmen.

STANDARD: Welche Auswirkungen hat das langfristig für die Betroffenen? Verlieren sie gesunde Lebensjahre?

Berger: Wenn Betroffene ihre Therapie um ein Jahr aufschieben, ist die Allergie für sie um ein Jahr länger stärker spürbar. Das ist prinzipiell ein geringes Übel. Allerdings sollten die Patienten bei Verdacht auf eine Allergie immer schnellstmöglich zum Arzt gehen, so lassen sich Begleitallergien und allergisches Asthma verhindern. (Bernadette Redl, 17.5.2020)