SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner (rechts) ergriff das Wort für die in Existenznot geratene Kreativbranche des Landes.

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In einer zornigen Pressekonferenz machten Kunst- und Kulturschaffende im Verbund mit SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner ihrer Enttäuschung über die Bundesregierung Luft: Wie könne es sein, so die rhetorisch gestellte Frage, dass der Bundeskanzler bei einem PR-Besuch im Kleinwalsertal "Dreharbeiten ohne Maske und Sicherheitsabstand" veranstalte, während die österreichische Filmbranche weiterhin nicht drehen darf, also de facto darniederliegt?

"Wenn wir nicht Anfang Juni zu drehen beginnen können, steht die Filmwirtschaft das ganze Jahr", so Markus Schleinzer vom Regieverband, der sich insbesondere darüber ärgert, dass man Vorschläge an die Regierung herangetragen habe, die zwei Wochen ungelesen blieben. Man solle sich doch bei den Corona-Hilfen und Öffnungsmaßnahmen für die Kulturbranche an Luxemburg, der Schweiz oder auch Deutschland orientieren, so die Forderung. Es sei doch absurd, dass etwa das ZDF nächste Woche schon wieder in Österreich drehen dürfe, während hier noch alles stillsteht.

Hilfen statt Rücktrittsaufforderung

Die Schauspielerin Gerti Drassl verdeutlichte noch einmal, dass beim Härtefallfonds zu viele Kulturschaffende, für die es zur Arbeitsrealität gehört, flexible Engagements einzugehen, durch das Raster fallen. "Ich kenne niemanden in meinem Bekanntenkreis, der Geld aus dem Härtefallfonds erhalten hätte", ergänzte der Puppenspieler Nikolaus Habjan. Autorin Julya Rabinowich hielt fest, dass sie die Maßnahmen anfangs für gut und richtig gehalten habe, "aber wir haben damit gerechnet, dass man uns unterstützt, so wie andere Branchen auch".

An Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) allein wollten die Kritiker die Schuld nicht suchen. Auch Werner Kogler und die ÖVP seien in der "verdammten Pflicht", wie SP-Kultursprecher Thomas Drozda betonte. Rücktrittsaufforderungen, wie sie von Neos kamen, hielten Künstler wie SP-Politiker in der jetzigen Situation für kontraproduktiv, mit einem neuen Gesicht an der Spitze sei keinem Künstler geholfen, so der Tenor. Rendi-Wagner forderte vielmehr ein langfristiges Rettungsprogramm für die Branche, das auch entsprechend dotiert sein müsse: "Eine Milliarde Euro für die nächsten drei bis vier Jahre ist das Minimum."

Kulturpartnerschaft mit Experten

Ausgestaltet werden soll dieses Programm von einer Expertenkommission, die sich aus Kunstschaffenden, der Politik und dem Gesundheitswesen zusammensetzt. Bisherige Hilfen seien "zu wenig, zu klein und in vielen Fällen hochbürokratisch". Es brauche eine Kulturpartnerschaft nach dem Vorbild der Sozialpartnerschaft. Die Kultur sei der einzige Bereich in Österreich, der weiter im verordneten Stillstand verharre – "ohne Perspektive und offensichtlich ohne Plan vonseiten der Bundesregierung", attackierte Rendi-Wagner die türkis-grüne Regierung: "Es ist die Kulturlandschaft Österreich als solche in Gefahr."

Drozda wies noch einmal auf die bereits von 8.000 Menschen unterzeichnete, von ihm und Kulturschaffenden initiierte Petition "Kultur ist systemrelevant" hin. Und er verdeutlichte mit einem Schild die Ungleichbehandlung bei den Lockerungsmaßnahmen: "In einem Gasthaussaal kann man bei der aktuellen Verordnungslage viermal so viele Personen unterbringen wie in einem gleich großen Kultursaal", so Drozda. "Da sieht man, wer das bessere Lobbying hat." (Stefan Weiss, 14.5.2020)