Eine gemeinsame EU-App wird es wohl nicht geben, daher sind gemeinsame Standards das Ziel.

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Der Einsatz sogenannter Corona-Tracing-Apps muss nach Angaben des EU-Kommissars für Justiz und Konsumentenschutz, Didier Reynders, zeitlich beschränkt sein. Die Apps zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten dürften nur während der Gesundheitskrise verwendet werden, sagte Reynders am Donnerstag im Europaparlament in Brüssel.

Die Anwendungen müssten komplett deaktiviert werden, wenn die Pandemie vorbei sei. Dass sich die Nutzer dann lediglich abmelden, sei nicht ausreichend, betonte Reynders.

Fokus auf Datenschutz

Die EU müsse sich bei der App um einen gemeinsamen Ansatz bemühen, sagte Reynders. Derzeit arbeiten mehrere Mitgliedstaaten an individuellen Lösungen. Die unterschiedlichen Ansätze bei der Speicherung von Daten, zentralisiert oder dezentralisiert, müssten beide den höchsten Datenschutz garantieren, betonte Reynders. Wichtig sei, dass alle Apps der einzelnen Länder aufeinander abgestimmt funktionierten.

Die Corona-Warn-Apps sollen mit Hilfe von Bluetooth-Signalen erfassen, welche Smartphone-Nutzer einander nahegekommen sind – und diese warnen, wenn sich später herausstellt, dass sie sich neben einer mit dem Coronavirus infizierten Person aufhielten. Die Verwendung soll freiwillig sein. Die Apps könnten die Eindämmung der Virus-Pandemie nur unterstützen, sagte Reynders. Grundlegende Schutzmaßnahmen wie Abstand halten und Händewaschen müssten weiterhin eingehalten werden.

Keine gemeinsame App, aber gemeinsamer Standard

Bei der Aussprache der EU-Abgeordneten bestand Einigkeit darüber, dass beim Einsatz und der Entwicklung von Apps zur Kontaktverfolgung die Grund- und Datenschutzrechte eingehalten werden müssen, verlautete im Anschluss aus Parlamentskreisen. Darin stimmen die EU-Parlamentarier mit der EU-Kommission überein, die auch die zeitlich begrenzte und anonymisierte Speicherung und die freiwillige Verwendung der Software unterstreicht.

Die technische Umsetzung bereitet laut Parlamentskreisen noch Probleme, man sei auf die Kooperation mit großen Hard- und Softwarefirmen wie vor allem Apple und Google angewiesen. Eine gemeinsame EU-App gilt als unwahrscheinlich, die EU-Staaten erklärten aber bereits ihre Absicht, Software anhand gemeinsamer Richtlinien koordiniert zu entwickeln.

Leitlinien

ÖVP-Europaabgeordnete Barbara Thaler wünscht sich von der EU-Kommission, die bereits "gute Leitlinien" entwickelt habe, jedoch noch eine "wirklich europäische App-Lösung", "um den Alltag zurückkehren zu lassen und Reisefreiheit zu ermöglichen, die Datensouveränität in Europa hat Priorität". Sie ist der Ansicht, dass eine Tracing App helfen könne, "die sehr aufwändige Nachverfolgung von Kontakten nach Feststellung einer Infektion massiv zu beschleunigen". Dabei gehe es nicht um Standortdaten oder Echtzeitverfolgung, das sogenannte Tracking.

"So gewinnen wir wertvolle Zeit", ist Thaler überzeugt. "Und das ist genau das, was wir in den kommenden Monaten brauchen, bis es einen Impfstoff oder ein Medikament gibt. Wir müssen an die Eigenverantwortung appellieren, darum muss die App freiwillig sein." "Oberstes Gebot" seien die Einhaltung aller Datenschutzbestimmungen zum Schutz der Privatsphäre und ständige Kontrolle, so die EU-Abgeordnete. Die Daten dürften auch nicht länger gespeichert bleiben, als sie medizinisch relevant seien.

Einmahnung von Grundrechten

Die SPÖ-EU-Abgeordnete Bettina Vollath riet angesichts bereits getätigter Äußerungen zu der neuen Software zur Vorsicht. "Die Corona-Krise ist eine Zeit, in der wir auf unsere Grundrechte ganz besonders achten müssen", erklärte sie am Donnerstag. Das zeige sich "nicht zuletzt an Aussagen zu verpflichtenden Apps oder an vereinzelten Plänen, öffentliche Plätze und Versammlungen mit automatisierter Erkennungs- und Verhaltenssoftware zu kontrollieren".

Dies überschreite "legitime gesundheitspolitische Absichten zur Viruseindämmung", so Vollath, für die die Freiwilligkeit, "nur das notwendige Erfassen von Daten und kein personenbezogenes Tracking ohne Einwilligung" ebenfalls entscheidend sind. Die Kanzler-Beraterin Antonella Mei-Pochtler wurde jüngst in einem Interview damit zitiert, dass man sich in Europa im Zuge der Coronakrise an Tools gewöhnen werde müssen, die "am Rand des demokratischen Modells" seien, und dass Reisen nur noch mit Corona-App möglich sein würden.

Für die EU-Delegationsleiterin der Grünen Monika Vana wird eine Corona-App "nicht das Ende der Pandemie bringen". "Eine App wird nötige Vorsichtsmaßnahmen wie Social Distancing und weitreichende Tests nicht ersetzen können", so Vana. Als mit den Grundrechten "nicht vereinbar" sieht sie es an, eine App in der EU verpflichtend einzuführen. Die Privatsphäre der Bürger habe höchste Priorität, teilte die Europaabgeordnete mit.

Transparente Entwicklung gefordert

NEOS-EU-Abgeordnete Claudia Gamon betonte die Bedeutung der Sicherstellung der "höchsten Datenschutz-Standards" in ganz Europa angesichts der Einigung der EU-Mitglieder auf die Kompatibilität der Corona-Apps, die national im Einsatz sein werden. "Die Entwicklung muss daher zu einhundert Prozent transparent sein", erklärte Gamon. Zudem dürfe es "zu keiner Verpflichtung durch die Hintertür kommen, in dem man zum Beispiel Grenzübertritte nur mit einer App ermöglicht oder Ähnliches", warnte sie. Die Nutzung der Apps müsse "absolut freiwillig" bleiben.

Der flächendeckende Einsatz von Tracing-Apps sei für den effektiveren Ausstieg aus den Beschränkungen des öffentlichen Lebens nötig, teilte der deutsche EU-Abgeordnete Axel Voss (CDU) mit. "Wichtig ist, dass diese Apps über europäische Grenzen hinweg funktionieren und miteinander kompatibel sind."

In einigen EU-Ländern wie Deutschland und Frankreich soll eine entsprechende App ab Juni zum Einsatz kommen. In Österreich kann die "Stopp Corona"-App des Roten Kreuzes bereits seit Ende März verwendet werden. (APA, 14.05.2020)