Alles neu macht der Mai – bei der deutschen SAP trifft das heuer zu. Die Hauptversammlung von Europas größter Softwarefirma findet am Mittwoch wegen der Coronavirus-Pandemie erstmals virtuell statt. Den Aktionären präsentiert sich zudem ein deutlich kleinerer Vorstand, viele der bekannten Gesichter sind weg.

Der langjährige Firmenchef Bill McDermott hat beim Softwarekonzern ServiceNow angeheuert, SAP-Urgestein Michael Kleinemeier ist in Pension, Personalchef Stefan Ries verlässt den Konzern zum Monatsende und das McDermott-Nachfolgerduo aus Jennifer Morgan und Christian Klein ist auf den 40-jährigen Deutschen zusammengeschrumpft.

"Jung, deutsch, technologielastig"

"Wir wünschen uns beim Vorstand mehr Stabilität und eine langfristig orientierte Aufstellung", fordert Markus Golinski von der Fondsgesellschaft Union Investment. Der aktuell aus fünf Leuten bestehende Vorstand sei "sehr klein, sehr jung, sehr deutsch und sehr technologielastig". Noch im Februar waren es acht Mitglieder. An der Börse hat die SAP-Aktie seit dem Rücktritt von McDermott im Oktober fast zehn Prozent verloren, seit dem Abgang von Co-Chefin Morgan im April zwei Prozent.

Der überraschende Abgang der US-Amerikanerin Morgan, über dessen Gründe weiterhin spekuliert wird, hat laut Ingo Speich, Leiter des Bereichs Corporate Governance bei der Fondsgesellschaft Deka, eine Lücke gerissen: "SAP muss nun darauf achten, dass der Vertrieb und die USA nicht aus dem Fokus geraten. Da muss auch im Vorstand nachgerüstet werden." SAP-Chef Klein verteidigte den Fünf-Mitglieder-Vorstand: "Für eine klare Produktstrategie mit klaren Prioritäten müssen wir Überschneidungen, Silos und Ineffizienzen überwinden. Mit der aktuellen Aufstellung des SAP-Vorstands tragen wir diesem Ansatz Rechnung", sagte er der Nachrichtenagentur Reuters.

Abgang von Plattner dürfte nahen

Auch wegen des Alters von SAP-Gründer Hasso Plattner, der im Dax-Konzern als Aufsichtsratsvorsitzender immer noch die Fäden zusammenhält, rechnet Speich mit weiteren Veränderungen in der Führungsetage: "SAP stellt sich neu auf. Das Geschäft wird in jüngere Hände gegeben und der Generationswechsel vollzogen." Bisher bestimmt der 76-jährige Plattner hinter den Kulissen immer noch das Geschehen. So soll er Klein seit seinem Eintritt als Werksstudent gefördert haben. Auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr legte er jedoch die Weichen für einen Abschied und stellte sich nur für drei statt wie bisher fünf Jahre zur Wiederwahl. "Diese drei Jahre sollen dann gleichzeitig auch meine letzte Amtszeit sein", sagte Plattner damals. Er hatte SAP 1972 zusammen mit vier anderen IT-Spezialisten gegründet.

Plattner und Klein müssen nun nicht nur Ruhe in die Führungsetage bringen und die Herausforderungen der Coronakrise bewältigen, sondern auch die mangelnde Integration der Softwareprogramme vorantreiben. "Für Unternehmen ist es aktuell nicht wesentlich schwerer, die Lösungen der anderen an Stelle von SAP-Programmen zu integrieren", sagt Gartner-Analyst Christian Hestermann mit Blick auf die Angebote der Cloud-Konkurrenten Salesforce und Workday. Bisher habe es SAP versäumt, die Anwendungen, die mit den milliardenschweren Zukäufen beispielsweise von Qualtrics in den Konzern kamen, zu einem Komplettpaket zu formen. Jüngst sorgten Sicherheitsmängel bei einigen Cloud-Anwendungen für Schlagzeilen.

Dividende bleibt stabil

In den letzten Monaten wurden die Forderungen von Aktionären, Kunden wie die Anwendervereinigung DSAG, aber auch dem Betriebsrat immer lauter, sich dieser Mammutaufgabe anzunehmen. "Meine Hoffnung ist, dass man sich unter Klein nun darauf konzentriert", sagt SAP-Betriebsratsmitglied Eberhard Schick. Golinski ist der Meinung, dann würden auch mehr Synergien freigesetzt. Bei Klein scheinen die Wünsche Gehör zu finden. Öffentlich betonte er zuletzt immer wieder die Notwendigkeit von organischem Wachstum und Integration.

Mitten in der Coronakrise, die die meisten der rund 100.000 SAP-Mitarbeiter ins Homeoffice zwingt, will Europas wertvollster Technologiekonzern seine Aktionäre bei der Stange halten. So wird die Dividende für 2019 bei 1,58 Euro je Aktie verharren. Darüber hinaus hatte SAP zuletzt Aktien im Wert von 1,5 Milliarden Euro zurückgekauft. Betriebsrat Schick sagt dazu: "Das ist doch ein Wort. Offenbar geht es uns noch ganz gut." (APA, 14.05.2020)