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Plötzlich hat jedes High-End-Smartphone 5G. Die Nutzer haben allerdings wenig davon – außer deutlich weniger Geld.

Foto: Stephen Lam / REUTERS

Angesichts der massiven Teuerungswelle, die es rund um High-End-Smartphones in den vergangenen Jahren gegeben hat, wäre für 2020 eigentlich eine gewisse Konsolidierung der Preise zu erwarten gewesen. Doch genau das Gegenteil ist der Fall: Die aktuellste Smartphone-Generation dringt in Preisregionen vor, die noch vor nicht allzu langer Zeit komplett undenkbar gewesen wären. Und dabei muss man nicht einmal auf Extrembeispiele wie das ab 1.350 Euro verkaufte Galaxy S20 Ultra von Samsung blicken. Auch sonst für ihr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis bekannte Hersteller wie Xiaomi oder Oneplus verlangen für ihre aktuellen Topmodelle erheblich mehr als für die jeweiligen Vorgänger.

Viele Faktoren, aber einer besonders

Die Frage, was an dieser Entwicklung schuld ist, ist natürlich nicht so einfach zu beantworten, bei solchen Dingen spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle. Von zusätzlicher Hardware bis zum simplen Bestreben, die eigene Gewinnmarge zu optimieren, reicht die Palette. Und doch gibt es im Jahr 2020 einen Punkt, der besonders heraussticht: Qualcomm und sein aktueller Top-Chip.

Für den Snapdragon 865 hat sich Qualcomm zu einem ungewöhnlichen Schritt entschieden: Der aktuell leistungsfähigste SoC (System-on-a-Chip) der Firma wird ausschließlich in Kombination mit dem 5G-Modem Snapdragon X55 verkauft. Wer den schnellsten Chip von Qualcomm ohne 5G-Support haben will, hat schlicht Pech gehabt. Genau genommen beinhaltet der Snapdragon 865 im Gegensatz zu seinen Vorgängern gar kein Modem, auch LTE wird also über den externen Chip abgewickelt. Das ist nicht nur schlecht für die Akkueffizienz, diese Kombination kostet auch erheblich mehr. Zumal für einen umfassenden 5G-Support dann auch noch Antennenmodule hinzukommen, die natürlich ebenfalls von Qualcomm geliefert werden. In Summe dürfte der Snapdragon 865 samt 5G-Support aktuelle Geräte um mehrere hundert Euro teurer machen, hatte Arstechnica schon vor einigen Monaten prognostiziert – und damit recht behalten.

Viel Geld für ... wofür eigentlich?

Besonders problematisch wird dieser 5G-Zwang dadurch, dass die Nutzer von all dem reichlich wenig haben. Auch in Österreich und Deutschland steht der 5G-Ausbau derzeit noch ganz am Anfang, bis es eine flächendeckende Versorgung gibt, wird noch einige Zeit vergehen. Und wenn es dann einmal wirklich so weit sein sollte, werden die in den aktuellen Smartphones verbauten Chips schon wieder veraltet sein. So ist etwa davon auszugehen, dass kommende 5G-Modems deutlich weniger Strom verbrauchen und natürlich auch flotter sind. Immerhin ist deren Entwicklung noch nicht ausgereift, ähnliche Entwicklungen hat man schon bei den Vorgängertechnologien UMTS und LTE beobachten können.

Wer sich jetzt ein Gerät mit Snapdragon 865 kauft, muss sich also dessen bewusst sein, dass ein ordentlicher Anteil des Kaufpreises für Komponenten draufgeht, die man – wenn überhaupt – nur selten nutzen wird. Und auch das Argument der "Zukunftssicherheit" hält nur begrenzt – sollte man doch nicht vergessen, dass längst nicht alle dieser Geräte auch sämtliche 5G-Frequenzbereiche abdecken. So haben viele Hersteller auf den Support von mmWave verzichtet, also auf jene Technologie, die erst jene Geschwindigkeitsvorteile bringt, mit denen 5G gerne beworben wird. Dies einerseits aus Kosten-, aber auch aus Platzgründen – und das Buzzword "5G" steht ja trotzdem in den Marketingmaterialien.

Qualcomm bestimmt

Dass überhaupt so eine Situation entstehen konnte, liegt wiederum an einer unerfreulichen Realität der Android-Welt: Hersteller von High-End-Geräten kommen kaum an Qualcomm vorbei. Zwar versuchen es sowohl Samsung als auch Huawei mit eigenen Chips, leistungsmäßig können diese aber üblicherweise nicht (ganz) mit denen von Qualcomm mithalten. Die Patentmacht von Qualcomm führt zusätzlich dazu, dass man sogar Samsung für den wichtigen US-Markt dazu zwingen konnte, Snapdragon-Chips zu verbauen.

Erste Anzeichen für ein Umdenken

Angesichts dieser Situation scheint bei manchen Herstellern mittlerweile ein Umdenken einzusetzen. Glaubt man aktuellen Insider-Berichten, planen gleich mehrere Android-Anbieter, für kommende Smartphones auf den Snapdragon 865 zu verzichten. Sowohl Google als auch LG und Oneplus wollen demnach ihre nächsten Geräte lieber mit dem günstigeren Snapdragon 765 ausstatten, um den Preis in niedrigeren Regionen zu halten.

Ob dieser Plan aufgeht, muss sich erst zeigen. Zumindest könnte dies aber eine Diskussion befördern, die schon länger zu führen gewesen wäre: nämlich wie wichtig der SoC überhaupt noch für die Qualität eines Smartphones ist. Die für die breite Masse an Nutzern wahrnehmbaren Leistungsunterschiede von einer Generation zur anderen sind mittlerweile nämlich ziemlich gering. Dass dieser Bereich in der öffentlichen Wahrnehmung weiter eine wichtige Position einnimmt, ist insofern wohl eher der einfachen Vergleichbarkeit mittels Benchmarks zu verdanken denn ihrer realen Relevanz.

Abwarten

Was bleibt, ist die Erkenntnis, dass das Jahr 2020 bislang ein ziemlich schlechtes ist, um sich ein neues High-End-Smartphone zuzulegen. Für einen sehr hohen Preis bekommt man derzeit ungefragt zusätzliche Hardware, mit der man meist gar nichts anfangen kann. Zusätzlich zeigt sich anhand der aktuellen Situation, dass Qualcomm dringend ernsthafte Konkurrenz vertragen könnte. Die zwangsweise Kopplung von Snapdragon 865 und 5G-Modem ist ein echtes Warnsignal, schadet dies doch direkt den Konsumenten. Bleibt zu hoffen, dass es sich bei all dem nur um einen unerfreulichen Ausreißer handelt und sich die Preise im kommenden Jahr wieder normalisieren. Ob dies auch tatsächlich passiert, wird aber schlussendlich davon abhängen, ob die Konsumenten die höheren Preise akzeptieren – oder eben nicht. Freiwillig hat noch kein Hersteller ein einmal etabliertes Preisniveau wieder gesenkt. (Andreas Proschofsky, 18.5.2020)