Die 53-Jährige hat sich über das Finanzministerium weiter an die Spitze hochgearbeitet.

Foto: imago images/ITAR-TASS

Eigentlich kennt sich Tatjana Alexejewna Golikowa mit Zahlen gut aus. Die heute 53-Jährige absolvierte erfolgreich ihr Volkswirtschaftsstudium an der Moskauer Plechanow-Akademie für Wirtschaft. Doch nun ist die Vizepremierministerin der Russischen Föderation wegen Zahlen in der Bredouille. Es geht um die Todesstatistik während der Covid-19-Krise und Russlands auffällig niedrigen Wert. Denn obwohl mehr als 242.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert sind – und damit nur in den USA mehr Personen – sind offiziell nur 2.212 Menschen an dem Virus gestorben.

Die "New York Times" und die "Financial Times" haben nun aber festgestellt, dass abgesehen davon allein im April und nur in Moskau rund 1.800 Menschen mehr gestorben sind als ansonsten in einem durchschnittlichen Monat, und ebenso in der Großstadt Sankt Petersburg. Doch für Golikowa, die als Vizepremier für Soziales, Arbeit und Gesundheit zuständig ist, hat das nichts mit frisierten Statistiken zu tun. Die Zahlen seien korrekt. Russland leiste "vorbildliche Arbeit", und deshalb stürben so wenige Menschen, wie sie vor wenigen Tagen sagte. Fast siebenmal weniger als im Rest der Welt, wenn man nachrechnet.

Spitznamen im Wandel der Zeit

Golikowa hält sich schon lange in der Führungsebene der Hauptstadt, denn recht bald nach ihrem Studium begann sie sich im Finanzministerium hochzuarbeiten, war im Budgetausschuss und schließlich von 2004 bis 2007 stellvertretende Finanzministerin. Ihr Spitzname in der damaligen Zeit: "Miss Budget". Sie war auch federführend bei der Einführung des Mutterkapitals, das die Geburtenrate erhöhen sollte. Für jedes zweitgeborene und darauffolgende Kind erhielten Eltern nach drei Jahren eine Einmalzahlung. Und tatsächlich: Die Geburten stiegen an.

In ihrer Zeit als Gesundheits- und Sozialministerin erhielt Golikowa einen neuen Spitznamen: "Madam Arbidol", benannt nach dem gleichnamigen Grippemedikament, das nur in Russland und China zum Einsatz kommt und in anderen Ländern nicht zugelassen ist. Journalisten warfen ihr vor, dem Erzeugerunternehmen Pharmstandard zu nahe zu stehen.

Auch ihr Ehemann und Ex-Minister Wiktor Christenko geriet unter Korruptionsverdacht. Nachgewiesen konnte beiden aber nichts werden. Und so steht Arbidol wieder in den russischen Schlagzeilen: als mögliches Mittel im Kampf gegen das neuartige Coronavirus. (Bianca Blei, 15.5.2020)