Mit der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs dürften viele Asylwerber keinen Zugang mehr zum Arbeitsmarkt haben.

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Wann und unter welchen Bedingungen dürfen Asylwerber in Österreich arbeiten? Diese Frage wurde spätestens seit dem großen Fluchtjahr 2015 emotional diskutiert, besonders in Zusammenhang mit Asylwerbern in der Lehre.

In Österreich ist die Praxis beim AMS und dem Arbeitsministerium seit Jahren strikt: Ein Jobmarktzugang wird kaum gewährt. In mehreren Urteilen hat das Bundesverwaltungsgericht in den vergangenen Monaten diese harte Linie allerdings ausgehebelt. Mehrfach wurde Asylwerbern Zugang zum Arbeitsmarkt mit dem Hinweis gewährt, dass die strikten österreichischen Regeln geltenden EU-Vorgaben widersprechen.

Nun ist ein erstes Urteil eines Höchstgerichtes, des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), in der Causa ergangenen. Entgegen den Erwartungen vieler Juristen und NGOs hat der Verwaltungsgerichtshof dem Zugang von Asylwerbern zum Jobmarkt einen Riegel vorgeschoben.

In dem Fall ging es um einen Afghanen, der von einem oberösterreichischen Betrieb eine Lehrstelle als Elektrotechniker zugesagt bekommen hat. Die zuständige AMS-Geschäftsstelle verweigerte ihm allerdings die Beschäftigungsbewilligung. Eine Berufung dagegen vor dem Bundesverwaltungsgericht war erfolgreich. Das kam so: In Österreich regeln zwei Erlässe aus dem Arbeitsministerium, wann Asylwerber Zugang zum Jobmarkt haben. Der schon ältere Bartenstein-Erlass legt fest, dass Asylwerber nur als Erntehelfer oder Saisonarbeiter eingesetzt werden dürfen. Ein zweiter Erlass der ehemaligen Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) hat dann den Zugang von Asylwerbern zur Lehre ausgehebelt.

Erlässe haben nur eine interne Wirkung innerhalb der Verwaltung, das sind keine Gesetze oder Verordnungen. Die beiden erwähnten Erlässe haben aber die zuständigen AMS-Stellen verpflichtet, immer gegen die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung zu stimmen. Mit dem Ergebnis, dass bis auf wenige Ausnahmen Asylwerber in Österreich nicht arbeiten dürfen.

Widerspruch zur Richtlinie?

Das Bundesverwaltungsgericht sah das im Widerspruch zu einer EU-Richtlinie. Diese schreibt vor, dass spätestens neun Monate nach dem Asylantrag ein "effektiver" Zugang zum Arbeitsmarkt gewährt werden muss. Da Österreich diese Vorgabe nicht umgesetzt habe, sei die Richtlinie direkt anzuwenden, urteilte das Gericht und bewilligte die Lehrstelle.

Das AMS wandte sich in der Folge mit einer Revision dagegen an den Verwaltungsgerichtshof. Dieser spricht sich im Urteil, das dem STANDARD vorliegt, endgültig gegen die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung aus.

Der VwGH argumentiert so: In der EU-Richtlinie heißt es, dass die Bewilligung nur dann zu gewähren ist, "sofern noch kein erstinstanzliches Urteil im Asylverfahren ergangen ist". Auch wenn ein Asylwerber schon Jahre im Land ist und vielleicht noch Jahre bleibt. Sofern das Ersturteil negativ ist, gibt es keinen Jobzugang, so das Gericht. Beim Elektrotechniker-Lehrling gab es bereits eine erstinstanzliche negative Entscheidung in Österreich – daher wird ihm die Bewilligung versagt.

Die Anwältin der Elektrofirma, Michaela Krömer, argumentierte dagegen, dass nirgends in der Richtlinie geschrieben stehe, dass nach einem negativen Entscheid in erster Instanz keine Beschäftigungserlaubnis zu erteilen ist. Die EU-Regeln besagen sogar, dass eine einmal erteilte Erlaubnis nicht entzogen werden kann, nur weil in der ersten Instanz negativ entschieden wurde.

Das Höchstgericht folgte dieser Argumentation nicht. Entgegen ihrem Antrag legte es den Fall auch nicht zur Vorabentscheidung an den Europäischen Gerichtshof vor, der Wortlaut der Richtlinie sei hinreichend klar.

"Einschränkung der Grundrechte"

Anwältin Krömer kritisiert die Entscheidung: Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) entscheidet in Österreich über Asylverfahren in erster Instanz. Künftig könne das BFA "steuern", wann ein Asylwerber arbeiten darf und wann nicht, sagt Krömer. Durch rasche negative und nicht einmal rechtskräftige Entscheide in erster Instanz, verlieren die Menschen ihr Recht zu arbeiten. "Das ist eine Einschränkung europäisch gewährleisteter Grundrechte", so die Anwältin.

Und sie sagt auch, dass der Verwaltungsgerichtshof den Sinn der Richtlinie letztlich verkehrt habe. Ziel sei es gewesen, Menschen, die lange erstinstanzliche Verfahren haben, einen Zugang zum Jobmarkt zu geben. Darum die Formulierung, ein effektiver Arbeitsmarktzugang müsse nach neun Monaten gewährt werden, sofern bis dahin kein erstinstanzliches Urteil vorliegt.

Erfreulich hingegen sieht die Anwältin, dass das Höchstgericht an mehreren Stellen festhält, dass es einen effektiven Arbeitsmarktzugang für andere Asylwerber, die noch keine Entscheidung in der Hand haben, geben muss. Ihre Schlussfolgerung daraus ist, dass die erwähnten Erlässe in diesen Fällen künftig nicht mehr angewendet werden dürfen.

Der Elektrotechniker darf nun jedenfalls keine Lehre machen. Auch in anderen, ähnlich gelagerten Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und den Bundesverwaltungsgerichten dürften nun ähnliche Entscheidungen ergehen. (András Szigetvari, 14.5.2020)