Impfgegner schrecken auch nicht vor historisch reichlich problematischen Vergleichen zurück. (Foto ist von einer Demonstration in Wien am 14.05.2020)

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Es ist ein äußerst unerfreulicher Nebeneffekt von Covid-19: Verschwörungstheorien finden seit Wochen eine geradezu rasante Verbreitung. Einmal ist es der neue Mobilfunkstandard 5G, der angeblich an allem schuld ist, andere wiederum sehen in Bill Gates die finstere Macht, die hinter den Kulissen die Fäden zieht, um die Menschheit zu unterjochen. Faktische Belege für all diese Behauptungen gibt es natürlich nicht, ganz im Gegenteil ist vieles davon recht einfach widerlegbar. Das hält für solche Erklärmodelle anfällige Personen aber nicht davon ab, ihre Überzeugung neuerdings sogar auf der Straße kundzutun.

Kampagne schon gestartet

Dass es für all das nicht einmal den Anflug einer Faktenbasis braucht, zeigt nun ein neues Phänomen. Impfgegner haben bereits mit ihren Kampagnen gegen eine mögliche Covid-19-Schutzimpfung begonnen – obwohl derzeit noch nicht einmal ein Impfstoff in Sicht ist. Das Problem dabei: Dieser Plan könnte aufgehen.

Impfgegner hätten sich auf diese Situation seit Jahren vorbereitet, all das, was jetzt an Verschwörungstheorien kursiert, könnte nur ein Vorspiel sein, befürchtet der "New York Times"-Journalist Kevin Roose. Seit Jahren habe er diese Szene in ihren geheimen Facebook-Gruppen und Instagram-Accounts beobachtet, und dabei werde schnell klar, dass diese wesentlich besser organisiert sei, als viele glauben. Ihre Aktivisten seien über die Jahre sehr gut darin geworden, sowohl die sozialen Medien als auch öffentliche Stellen mit Falschinformationen zu fluten, während die Gegenseite auf all das kaum vorbereitet sei. Und mit einem möglichen Covid-19-Impfstoff haben die Impfgegner nun einen neuen Hauptfeind gefunden.

Einiges spielt den Impfgegnern in die Hände

Dazu komme, dass auch gewisse externe Faktoren den Verschwörungstheoretikern helfen würden. So sei zu erwarten, dass angesichts der aktuellen Dringlichkeit ein Impfstoff schneller als sonst getestet und genehmigt wird. Damit fehlen aber jene jahrelangen klinischen Studien, die es sonst vor der Freigabe eines Impfstoffs gibt. Das gibt natürlich Gegner einen Angriffspunkt, um Gerüchte über angebliche Gefahren zu streuen.

Ein zweiter Punkt, der den Impfgegnern in die Hände spielt: Die Chancen stehen gut, dass die Weltgesundheitsorganisation oder auch die Gates Foundation eine gewisse Rolle bei der Produktion und Verbreitung des Impfstoffs haben werden. Immerhin sind beide auch jetzt schon stark in die Bekämpfung der Corona-Krise involviert. Für Verschwörungstheoretiker sind beide aber schon seit Jahren Hauptfeinde, gerade Gates wird von vielen als Erfinder und Profiteur von Covid-19 bezeichnet. An diese bereits etablierten Falschbehauptungen könnte dann leicht angeschlossen werden.

Und dann ist da noch der Umstand, dass es in vielen Ländern nicht ausgeschlossen sei, dass ein Nachweis einer Impfung zu einer Voraussetzung für eine uneingeschränkte Bewegungsfreiheit wird – also etwa bevor man in ein Flugzeug steigt. Genau solche Ideen würden aber den Impfgegnern in die Hände spielen, immerhin befördert dies ihre größten Ängste.

Gegenkampagne notwendig

All dies nährt die Befürchtung, dass ein Impfstoff von einem bedeutenden Teil der Bevölkerung abgelehnt werden könnte, was für die Bekämpfung der Pandemie fatal wäre. Wolle man dies verhindern, gelte es, eine Bewegung aufzuziehen, die sich offensiv für eine Impfung einsetze – und mindestens so geschickt und massiv in den sozialen Medien agiert wie ihre Gegner, so Roose. (red, 15.5.2020)