Für Österreich und die Indexierung der Familienbeihilfe weist der Weg in Richtung EuGH.
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Die Europäische Kommission zitiert Österreich wegen der Indexierung von Familienbeihilfe und Familienbonus vor den Europäischen Gerichtshof (EuGH). Diese Indexierung passt die Leistungen an die Lebenshaltungskosten im Wohnsitzland der Kinder an – was für die allermeisten Bezieher mit Kindern im Ausland eine kräftige Kürzung bedeutet.

Neben der "Sozialhilfe neu", die Leistungen an Sprachkenntnisse koppelte, war die Indexierung der Familienbeihilfe der zweite große Schritt der damaligen türkis-blauen Regierung in Richtung eines Sozialstaats, dessen Leistungsniveau für Einheimische deutlich großzügiger sein sollte als für Zugewanderte: "Eine österreichische Sozialpolitik konzentriert sich vor allem auf die eigenen Staatsbürger und jene, die bereits einen Beitrag in unser System geleistet haben", hieß es im Regierungsprogramm von ÖVP und FPÖ aus dem Jahr 2017 (S. 117).

Wie die "Sozialhilfe neu", die Ende 2019 vom Verfassungsgerichtshof weitgehend kassiert wurde, könnte nun auch die Indexierung der Familienbeihilfe höchstgerichtlich gekippt werden – zumindest wenn es nach der bestehenden Judikatur des EuGH geht.

Dass das Thema am Ende überhaupt vor den Richtern in Luxemburg landet, verdeutlicht übrigens seine politische Relevanz. Wie die Grafik unten zeigt, gingen Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich in jüngerer Vergangenheit nämlich immer seltener bis zum EuGH. Dass heimische Regierungen also bis zur letzten Stufe eskalieren, ist mittlerweile eine absolute Ausnahme.

Rund 15 Prozent der zwischen 2002 und 2009 gestarteten Vertragsverletzungsverfahren gingen bis zum EuGH. In den Folgejahren (2010 bis 2017) waren es nur knapp sechs Prozent. Im selben Zeitraum gab es aber auch einen absoluten Rückgang an eingeleiteten Verfahren: von durchschnittlich 60 auf rund 33 pro Jahr. Der prozentuelle Anteil an EuGH-Fällen sinkt also nicht deswegen, weil etwa die Zahl der weniger konfliktträchtigen Fälle (die ohne Gericht geklärt werden können) ansteigt.

Selbst wenn aber nur wenige Fälle bis nach Luxemburg gelangen, heißt das noch lange nicht, dass diese dann besonders aussichtsreich wären. Wie in diesem Blog schon einmal ausgeführt, liegt die Erfolgsquote von Mitgliedsstaaten gegen die Kommission vor dem EuGH bei rund zehn Prozent. Österreich hat zwischen 2003 und 2019 nicht mehr als vier (!) von 71 Verfahren (sechs Prozent) für sich entscheiden können. Gut möglich, dass diese mageren Erfolgsaussichten dazu beigetragen haben, dass sich österreichische Regierungen in den letzten Jahren zunehmend kompromissbereiter gegenüber der Europäischen Kommission gezeigt haben. (Laurenz Ennser-Jedenastik, 15.5.2020)