Kurzzeit-Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek bei ihrer Angelobung.

Foto: APA/HANS PUNZ

31.12.2019: Ulrike Lunacek sagt Werner Kogler ihr Engagement als Kulturstaatssekretärin der nächsten türkis-grünen Regierung zu, wie sie bei ihrem Rücktritt bekanntgibt.

2.1.2020: Am 2. Jänner wird öffentlich bekannt, dass Ulrike Lunacek in der nächsten Bundesregierung die Agenden für Kunst und Kultur als Staatssekretärin unter Kogler übernehmen soll. Bisher war für den Bereich von der ehemaligen Akademie-Rektorin Eva Blimlinger ausgegangen worden, die für die Grünen auch das Kulturpaket in den Koalitionsverhandlungen verhandelt hatte. Kritik aus der Szene, dass Lunacek keine Erfahrung mit der Materie habe und einen Versorgungsposten erhalte, regt sich sogleich. Ex-SPÖ-Kulturminister Thomas Drozda kritisiert die Konstruktion eines Staatssekretariats.

16.1.2020: In ersten Interviews gibt Lunacek Einblick in ihre Vorstellung vom Amt. "Es mag auch ein Vorteil sein, dass ich unvoreingenommen hineingehe", sagt sie und verweist darauf, dass sie sich früher privat intensiv mit Pantomime und Tanz beschäftigt habe. Vor allem aber zieht sie mit der Aussage, die Vergabe des Literaturnobelpreises an Peter Handke nicht nachvollziehen zu können, heftige Kritik der Szene auf sich. Bei einem Abendessen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen für den Autor ist die Kulturstaatssekretärin nicht anwesend.

29.1.2020: Es wird bekannt, dass Karoline Edtstadler (ÖVP) am Abend vor der endgültigen Umverteilung der Zuständigkeiten in den einzelnen Ressorts in ihrer Funktion als Kulturministerin noch einige Personalentscheidungen getroffen hat. Ex-Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad etwa muss deswegen seinen Platz im Kuratorium der Albertina räumen. "Wir wurden informiert und haben darüber gesprochen", so Lunacek über die von vielen als Affront wahrgenommene Aktion.

20.2.2020: Statt mit kulturpolitischen Ansagen von sich hören zu lassen, irritiert Lunacek mit Presseterminen wie jenem, ihr bei einem Rundgang hinter den Kulissen der Opernballvorbereitungen zu folgen.

10.3.2020: Die Regierung kündigt ein Verbot von Freiluft-Events mit mehr als 500 Besuchern und Indoor-Veranstaltungen mit über 100 Gästen bis Ende März an, das Österreichs Kulturleben empfindlich beeinträchtigen wird. "Wir sind dabei zu klären, ob und wie die Auswirkungen auf die Kulturbranche abgefedert werden können", heißt es von Lunacek. Im Lauf des Tages geben alle größeren Theater, Konzert- und Opernhäuser des Landes Absagen bekannt, die bereits mit demselben Abend in Kraft treten.

13.3.2020: Lunacek lädt Vertreter der Kulturszene zum runden Tisch, rund 40 Teilnehmer kommen zusammen. Mit Ausnahme der Bundestheater und der Bundesmuseen, mit denen man als Eigentümer ohnedies ständig in Kontakt stehe, seien alle wesentlichen Verbände eingeladen gewesen, heißt es. Lunacek lobt die "sachliche Diskussion" und dass "konkrete Beispiele eingebracht wurden, was anders gemacht werden könnte".

20.3.2020: Lunacek will auf einen "breiten Maßnahmen-Mix" zur Bekämpfung der Auswirkungen der Corona-Krise setzen. Das beinhalte gegebenenfalls auch die Verschiebungen von Mitteln im diese Woche präsentierten Kulturbudget 2020. Lunacek betont, dass man "etwa Überschreitungsermächtigungen benötigen" werde. "Wir werden niemanden zurücklassen."

1.4.2020: Das Kunststaatssekretariat richtet eine Hotline für Fragen zu Unterstützungsleistungen, zu finanziellen Soforthilfemaßnahmen und den aktuellsten Entwicklungen im Kunst- und Kulturbereich ein. Rund 60 Anrufe pro Tag werden die Hotline laut Auskünften Lunaceks in den nächsten Tagen erreichen.

7.4.2020: Lunacek startet eine "Sprechstunde" auf Facebook, um selbst Fragen Kulturschaffender zu beantworten: "Ich kann noch nichts versprechen, aber ich kann versprechen, wir arbeiten daran", sagt sie über angestrebte Lockerungen. Klar sei aber, dass es bis Ende Juni keine öffentlichen Veranstaltungen und vor allem keine vor Publikum geben werde. Derzeit fänden Gespräche mit Kulturinstitutionen und dem Gesundheitsministerium statt.

17.4.2020: Lunacek und Kogler treten in einer Pressekonferenz vor die Medien, um zu skizzieren, welche Kulturveranstaltungen in den nächsten Monaten (nicht) möglich sein werden. Prompt stellt die Kinobranche dort getätigte Äußerungen Lunaceks, sie würde ihre Häuser unabhängig von Corona wegen fehlender Frequenzaussichten erst Ende August wieder öffnen wollen, in Abrede. Lunacek bedauerte das "Missverständnis". Dass die Bundesmuseen erst mit Juli wieder öffnen sollen, erregt breites Unverständnis, insofern Lunacek erklärt, eine Öffnung wäre ab Mitte Mai möglich. Ausführungen zur 20-Quadratmeter-Regel oder Speichelflug werden von Theatern, Kabarettisten und Orchestern in der Luft zerrissen. Weitere Kritik kommt von der IG Autorinnen Autoren, aber ebenso aus der Opposition.

21.4.2020: Josefstadt-Direktor Herbert Föttinger fordert nach harscher Kritik an Lunacek im ORF-"Kulturmontag" einen Runden Tisch mit der Kulturstaatssekretärin. Er sei nie von ihr zu Maßnahmen gefragt worden. Lunacek zeigt Verständnis für den von mehreren Seiten artikulierten Gesprächsbedarf. "Es ist mein Interesse, diese Lösung herzubringen. Ich bin zuversichtlich, dass wir das in den nächsten Tagen hinkriegen."

24.4.2020: Der für Kultur zuständige Vizekanzler Kogler trifft Herbert Föttinger zu einem Vier-Augen-Gespräch, das der Josefstadt-Direktor danach "sehr erfreulich und lösungsorientiert" nennt. Die Regel, wonach pro Person 20 Quadratmeter Platz zu Verfügung stehen müsse, wird wohl über Bord geworfen werden.

25.4.2020: Lunacek trifft nun fast täglich Vertreter verschiedener Branchen zum Gespräch. Die Bundesmuseen pochen dabei auf Klarheit über die finanzielle Lage und Planungssicherheit, doch Lunacek will sich noch auf keinen konkreten Plan festlegen. Filmschaffende kritisieren im Vorfeld, Vorgaben seien in keinem Sinne praktikabel. "Haben Sie überhaupt eine Ahnung davon, wie ein Filmset aussieht?", fragen sie in einem Offenen Brief. "Momentan verantworten Sie 'Spielregeln' für ein Berufsfeld, das Sie eindeutig nicht kennen und verstehen." Ergebnisse des Gesprächs nennt Lunacek "Input".

5.5.2020: Lunacek kündigt an, die Förderungen für zahlreiche Kulturbereiche sollen um 3,07 Millionen Euro erhöht werden. Das wird positiv aufgenommen, jedoch sehen Branchenvertreter weiteren Förderbedarf. Auch die Kritik seitens der Opposition reißt nicht ab.

11.5.2020: Über 50 Künstler und Festivalleiter richten sich in einem offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz, Vizekanzler Kogler und Kulturstaatssekretärin Lunacek, in dem sie die bisherigen Maßnahmen infrage stellen. Eineige Tage zuvor hat der Kabarettist Lukas Resetarits auf seiner Facebook-Seite ein wütendes Video veröffentlicht, in dem er Lunacek kritisiert und sagt: "Geigen wir die ganze grüne Kulturpartie ham! Unter die vier Prozent, wo sie hingehören!" Es wird Aufsehen erregen, und Resetarits sagt in einem "ZiB 2"-Interview, gefragt, ob Lunacek zurücktreten soll: "Es ist schon wurscht ..." Lunacek hatte ihren Auftritt in der Sendung abgesagt.

12.5.2020: Medien, darunter DER STANDARD, berichten, dass Lunacek der Regierungsspitze ihren Rücktritt angeboten habe. Diese rudert daraufhin zurück: "Ich halte mich nicht mit Gerüchten auf. Ich kämpfe mit aller Kraft weiter, den Kunst- und Kulturbereich gut über die Corona-Krise zu bringen", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Am selben Tag richtet Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder der Lunacek übergeordneten Instanz aus: "Ich stimme nicht in das Bashing gegen die Frau Staatssekretärin ein, weil ich den Vorwurf der kulturellen Inkompetenz und der politischen Schwäche für ungerecht empfinde angesichts der Verantwortlichkeit des Ministers. Ich habe den zuständigen Kulturminister in den fünf Monaten seit der Angelobung noch nie getroffen. Weder gab es ein Telefonat noch eine Videokonferenz. Das ist mir in meinen 40 Berufsjahren noch nie passiert."

13.5.2020: Andere scheinen die Kommunikation übernommen zu haben. So kündigt Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) bezüglich weiterer Lockerungen der Maßnahmen im Bereich von Kulturveranstaltungen im Interview mit oe24.TV "bis zum 29. Mai einen zweiten größeren Schritt" an. Mit den Neos fordert nun erstmals eine Oppositionspartei konkret den Rücktritt Lunaceks. Am selben Tag wird ein Interview der grünen Kultursprecherin Eva Blimlinger mit "Woman" bekannt, in dem sie Kritik an ihrer Parteikollegin äußert. Auf Gerüchte über einen Rücktritt Lunaceks, der Blimlinger zur Staatssekretärin machen könnte, meint sie: "Jetzt ist Ulrike dran. Die bemüht sich sehr." Nachsatz: "Und wenn wir den Vizekanzler noch mehr in die Pflicht nehmen, dann wird das schon." Gefragt, ob sie es so wie einige Kritiker sehe, dass Lunacek nicht kompetent genug für den Job sei, meint Blimlinger: "Ein bisschen schon. Sie kommt nicht aus dem Kulturbereich. Als sie Anfang des Jahres startete, konnte sie sich aber sehr schnell einarbeiten."

14.5.2020: "Heute"-Herausgeberin Eva Dichand weist auf Twitter Gerüchte zurück, sie hätte damals Blimlinger als Kulturstaatssekretärin verhindert. Lunacek sagt dem "Profil" kurzfristig ein Interview ab. Auch eine für den nächsten Tag anberaumte Pressekonferenz zu Maßnahmen und Lockerungen im Kulturbereich wird nicht stattfinden, erfährt man. Zudem tritt Axel Spörl, unter Lunacek berufener Geschäftsführer des Art-for-Art-Theaterservice zurück, nachdem Ungereimtheiten über seine Dissertation publik geworden sind. Am Abend will Bundeskanzler Kurz in der "ZiB2" nach den Rücktrittsgerüchten gefragt nicht mehr sagen als: "Entscheidungen wie diese sind höchstpersönliche Entscheidungen".

15.5.2020: Lunacek gibt ihren Rücktritt als Kulturstaatssekretärin bekannt. neue Maßnahmen seien nicht gelungen, dafür habe sie gemerkt, dass die Enttäuschung in der Szene nicht geringer geworden sei. Sie habe ihre Expertise hier und in dieser Krisensituation nicht ausspielen können. Anfang nächster Woche will Vizekanzler Kogler eine Nachfolgerin präsentieren. (red, APA, 15.5.2020)