Die Gastgärten – wie hier das Schweizerhaus im Wiener Prater – haben nach der Corona-Pause wieder offen.

Foto: apa/pfarrhofer

Die Spatzen hüpfen aufgeregt in den Efeustauden herum. Für das Von-den-Dächern-Pfeifen bleibt keine Zeit. Endlich sind sie wieder im Anmarsch, die tapsigen Zweibeiner, die Semmelbrösel und Stelzenkrümel auf, unter und neben den Tischen hinterlassen.

Am Freitag haben mit den Lokalen auch die Gastgärten wieder aufgesperrt – beim Schweizerhaus bereits zum 100. Mal mit Familie Kolarik. Der Start in die Saison ist ein noch nie dagewesener. Mama Johanna Kolarik meint, die Kastanienbäume hätten noch nie schöner ausgesehen. Es sei nicht nur ein augenscheinlich gutes Kastanienjahr; die mehr als 70-jährigen Riesen konnten sich auch von Bierschaumspenden und Tanzbeinschwüngen auf bewurzeltem Boden erholen.

Spätestens am Wochenende, wenn auch das Wetter passt, ist damit Schluss. Stelze, Bier und Spritzwein, die Heurigen gehen wieder in die Vollen – natürlich unter Einhaltung der Regelungen. Aber gerade im Garten ist der Abstand selten ein Problem. Ein bisserl traurig war das Leben schon ohne freudiges Kieselscharren, auf der Suche nach einem schattigen Plätzchen unter der alten Kastanie.

Dass in so gut wie jedem Biergarten Kastanien und Kiesel zu finden sind, hat seinen Grund. Ein Schanigarten mit Wein und Kaffee im Angebot stand erstmals um 1750 auf dem Wiener Graben. Die Biergartengeburtsstunde schlug 1812 im heutigen Bayern. Maximilian I. gestattete mittels Verordnung die Ausschank von Bier. Und weil untergäriges Bier es lieber kühl und dunkel hat, hat man die Hopfengabe eben in Kellern gelagert. Diese Keller an der Oberfläche mit Kies bedeckt, das kühlt, und zur weiteren Temperaturkontrolle schattenspendende Bäume gepflanzt: Kastanien. Die Klappstühle und klassischen grünen Gastgartentische kamen quasi von selbst.

Das Müllnerbräu in Salzburg lässt einen bei "Radi" und Augustiner erahnen, wie schon die Mönche unserer Vorzeit unter Kastanien hockten. Auch wenn es den Bäumen inzwischen zu heiß bei uns geworden ist, sagt Schweizerhaus-Geschäftsführer Karl Hans Kolarik. Damit sie so schön wie vor hundert Jahren sind, werden die 63 Exemplare im Gastgarten gegossen, die Erde vor Saisonbeginn gelockert und gedüngt. Erst dann kommt der polierte Kies wieder auf die Oberfläche.

Den Spatzen ist dieser Aufwand einerlei. Sie warten auf ihre bröselnde Entourage, die jedes Jahr mit den ersten Sonnenstrahlen eintrudelt. Nur heuer ein wenig später.
(Nina Wessely, 16.5.2020)