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Dass die Statistik Austria dem Bundeskanzleramt seit März alle ihre Pressemitteilungen vorab zukommen lässt, wie DER STANDARD berichtete, hat am Samstag bei der Opposition die Wogen hochgehen lassen. Sowohl bei der SPÖ als auch bei den Neos zeigte man sich alarmiert. SPÖ-Budgetsprecher Jan Krainer sprach von einem höchst bedenklichen Eingriff in die Unabhängigkeit der Statistik Austria.

Krainer ortete per Aussendung einen "neuen Auswuchs der Message-Control der schwarz-grünen Regierung", die genauso vorgehe wie zuvor die ÖVP/FPÖ-Koalition. Hochpolitische Daten und Informationen könnten damit vorab in der Öffentlichkeit parteipolitisch ausgelegt werden. "Diese Vorabweitergabe gefährdet nicht nur die Unparteilichkeit der Statistik Austria, sie widerspricht auch dem EU-Verhaltenskodex", so Krainer, der auch eine parlamentarische Anfrage der SPÖ ankündigte.

Ähnlich äußerte sich der Neos-Politiker Helmut Brandstätter: "Es ist offensichtlich, dass Bundeskanzler Kurz es nicht lassen kann und seine Message-Control auch vor der Statistik Austria nicht haltmacht. Die Überparteilichkeit und Unabhängigkeit der Statistik Austria ist ihr höchstes Gut, und wir werden sicher nicht zulassen, dass diese zu Selbstzwecken missbraucht wird", sagte Brandstätter der APA.

Gegenüber dem STANDARD kündigte Brandstätter an, die Angelegenheit auf EU-Ebene thematisieren zu wollen. Wo und wie, wollen die Pinken nun abklären. Zudem würde man gerne dabei helfen, kritische Wissenschafter zu organisieren, um Eingriffe in die eigenständige Statistik Austria aus dem Kanzleramt abzuwenden.

Bundeskanzleramt: Vorgang ist rechtens

Ganz anders die Reaktion im ÖVP-geführten Kanzleramt am Samstag. Dass alle Pressemitteilungen seit Ende März vor ihrer Veröffentlichung an das Bundeskanzleramt geschickt werden, sei rechtens und in Ordnung, wurde versichert. Die Medienleute des Kanzlers bekämen die Informationen weder vorab in die Hände, noch habe man sie jemals im Voraus verwertet. Die Presseaussendungen würden ausschließlich dem Generalsekretär des Kanzleramts zur internen Information geschickt, damit man Mitteilungen der eigenen Organisationseinheit nicht nur über die Medien erfahre.

Allerdings ist der Vorgang einmalig in der Geschichte der Statistik Austria als eigenständige und ausgegliederte Bundesanstalt: Bisher wurden Pressemitteilungen nicht vorab verschickt. Insgesamt wurden 31 Mitteilungen an das Kanzleramt vorab weitergeleitet, die meisten direkt aus der Generaldirektion der Statistik Austria. Ebenfalls bekommen haben die Mitteilungen die Chefs des Statistik- und Wirtschaftsrats. Das sind zwei Aufsichtsorgane der Statistik Austria.

Der Kodex

Im europäischen Kodex für Statistikämter, dem sich auch Österreich verpflichtet hat, ist festgelegt, dass "alle Nutzerinnen und Nutzer gleich zu behandeln" und ihnen "gleichzeitiger und gleichberechtigter Zugang zu statistischen Daten" zu geben ist. "Jeglicher bevorzugte Vorabzugang an Externe ist beschränkt, stichhaltig begründet, kontrolliert und wird öffentlich bekanntgegeben."

Die Statistik Austria ist per Gesetz eine selbstständige Bundesanstalt. "Das Kanzleramt nimmt teilweise Aufsichtsaufgaben gegenüber der Statistik Austria wahr, ist aber nicht Teil der Bundesanstalt und damit jedenfalls eine externe Stelle", sagt der Jurist Gerhard Schwarz, Mitglied der Plattform Registerforschung, die sich für einen besseren Zugang der Wissenschaft zu Statistikdaten einsetzt.

Bei der Statistik Austria verweist man darauf, dass laut Homepage die Vorabübermittlung von Informationen in einzelnen Fällen möglich ist und jeder Fall intern dokumentiert werde. (Andás Szigetvari, Andreas Schnauder, 16.5.2020)