Blick auf das Gelände der Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) in Garching bei München.

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Am leistungsstärksten Forschungsreaktor Deutschlands in Garching bei München kam es im März und April zu einem meldepflichtigen Zwischenfall – für Menschen und Umwelt bestand nach Angaben der Technischen Universität München zu keiner Zeit Gefahr. Der Jahresgrenzwert des radioaktiven Nuklids C-14 sei "geringfügig überschritten" worden, teilte Universität, die den Reaktor betreibt, auf ihrer Homepage mit. Die Forschungs-Neutronenquelle Heinz Maier-Leibnitz (FRM II) wird für Grundlagenforschung in unterschiedlichen Bereichen genützt.

Es sei eine Überschreitung des in der Betriebsgenehmigung festgelegten Wertes für die Ableitung von C-14 über den Kamin in die Atmosphäre festgestellt worden. Der Jahresgrenzwert sei um rund 15 Prozent überschritten worden, sagte FRM II-Sprecherin Anke Görg. Bei einer Ausschöpfung des Grenzwertes liege die theoretische Belastung der Bevölkerung bei maximal drei Mikrosievert. Das sei weniger als der Wert bei einer Röntgenaufnahme beim Zahnarzt.

Reaktor außer Betrieb

Wegen der Corona-Beschränkungen ist der Betrieb des Reaktors seit 17. März auf unbestimmte Zeit ausgesetzt, da Gastwissenschafter nicht an Ort und Stelle arbeiten können. Welche Auswirkungen der Vorfall auf den weiteren Betrieb habe, sei offen. Die Meldung sei nach der atomrechtlichen Meldeverordnung in die "Kategorie E" als eilbedürftig eingestuft worden, habe aber nach der internationalen Bewertungsskala (INES) die Stufe 0, das stehe für keine oder eine sehr geringe sicherheitstechnische Bedeutung.

Die Emissionen fanden bereits vom 20. bis 26. März sowie vom 2. bis 7. April statt. Ein individueller Fehler bei der Montage der Trocknungseinrichtung habe die Ableitung des radioaktiven Isotops verursacht. Nach der Überschreitung der Werte seien alle Trocknungsvorgänge unverzüglich eingestellt worden, sagte FRM-II-Sprecherin Anke Görg.

Kritik an Brennstoff

C-14 ist ein Isotop des Kohlenstoffs, das etwa in der Archäologie zur Altersbestimmung organischer Materialien genutzt wird. Seine Halbwertzeit liegt bei etwa 5.730 Jahren. Am FRM II entsteht es in Form von Kohlendioxid bei einer Kernreaktion im Reaktorbecken, das auch beim Stillstand des Reaktors gefüllt ist. Der Vorfall ereignete sich bei der routinemäßigen Reinigung des dortigen sogenannten Schweren Wassers. Dabei wird das C-14 über Ionenaustauscherharze gebunden, die dann getrocknet werden müssen.

Der FRM II ist wegen der Nutzung von hochangereichertem Uran umstritten. Atomgegner, Umweltschützer und Grüne kritisieren dies seit langem und forderten die Abschaltung, da dies der Betriebsgenehmigung von 2003 widerspreche. Sie sprechen von waffenfähigem Material. Nach Angaben der Betreiber gibt es Fortschritte bei der Suche nach einem neuen, niedriger angereicherten Brennstoff. (red, APA, 17.5.2020)