Kommt der bereits angekündigte Megatrend "Homeoffice" jetzt einfach mit 20-jähriger Verspätung?

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Beim ersten Höhepunkt der New Economy um die Jahrtausendwende gab es unzählige Prognosen, wie das Internet die Welt verändern würde. Viele waren damals überzeugt, dass die Menschen nun viel mehr zu Hause arbeiten würden – und das vorzugsweise im Grünen, weit weg von den Ballungsräumen.

Doch das Gegenteil war der Fall. Die Digital Natives zog es in die Städte, die großen Metropolen wuchsen weiter, während viele ländlichen Gebiete verödeten. Die Folge waren explodierende Wohnkosten vor allem für die Jungen, mehr Ungleichheit zugunsten von meist älteren Immobilieneigentümern und eine wachsende politische Kluft zwischen weltoffenen Großstädtern und einer abgehängten Landbevölkerung, die für populistische Botschaften empfänglich war.

Zu früh

Manche Prognosen sind nicht falsch, sie kommen nur zu früh. Die Corona-Krise könnte nun mit 20 Jahren Verspätung genau diesen Megatrend einleiten. Die Technologie hat Homeoffice seither deutlich erleichtert, und die Shutdowns haben gezeigt, dass zahlreiche Branchen erfolgreich dezentral arbeiten können. In Manhattan, San Francisco und der Londoner City wird schon befürchtet, dass die überteuerten Bürotürme auf Jahre leer bleiben werden, weil sich die Firmen die Kosten und die Mitarbeiter die Pendelei ersparen wollen.

Das gilt nicht für alle Unternehmen und nicht für alle Arbeitnehmer – Kindergeschrei ist kein Ersatz für Kollegengespräche an der Kaffeemaschine. Aber die vergangenen Wochen haben gezeigt, dass die Möglichkeiten und die Vorteile größer sind als gedacht. Und gerade in einer mobilen europäischen Gesellschaft mit transnationalen Partnerschaften und grenzüberschreitenden Jobwechseln wird die Homeoffice-Option für immer mehr Menschen attraktiv.

Die Folgen wären enorm, und in vielerlei Hinsicht positiv. Die explosiv gestiegenen Mieten in den Städten könnten wieder sinken, Wohnen für die Jüngeren leistbarer und abgelegene Regionen wieder attraktiver werden. Vor allem könnte sich die wirtschaftliche, gesellschaftliche sowie politische Polarisierung, unter der alle Industriestaaten derzeit leiden, wieder abmildern. Der Wohnort würde nicht mehr so viel über Bildungsniveau oder Wahlverhalten aussagen wie heute.

Österreich mit seinem vergleichsweise hohen Anteil an Bewohnern im kleinstädtischen und dörflichen Raum wäre für eine solche Entwicklung gut aufgestellt, vor allem, wenn der Ausbau der Glasfasernetze rasch umgesetzt wird. Allerdings wäre es wichtig, frühzeitig darauf zu achten, dass die schon viel zu weit gediehene Zersiedelung und der fossile Verkehr nicht weiter zunehmen.

Rascher Ausbau der Infrastruktur

Das verlangt eine dringende Reform der Raumordnungsgesetze, die derzeit eine sinnvolle und ökologische Planung fast unmöglich machen, sowie eine kräftige Förderung des öffentlichen Verkehrs auch außerhalb der Städte – mit möglichst innovativen Konzepten. Und sobald die Bewohnerzahl in Gemeinden zunimmt, müsste rasch die entsprechende Infrastruktur geschaffen werden, mit Kindergärten, Schulen und Freizeitangeboten.

Mit den Grünen in der Regierung sollte der Impetus für neue Wege vorhanden sein – und im Ausklang der Corona-Krise auch die Bereitschaft zum Investieren. Was noch fehlt, ist eine langfristige Voraussicht bei der Planung, an der es in Österreich oft fehlt, und die Flexibilität zu reagieren, wenn doch wieder alles anders kommt. (Eric Frey, 18.5.2020)