Benjamin Netanjahu – hier mit Maske in der Knesset – hat es geschafft: Er bleibt Israels Ministerpräsident, jedenfalls für die kommenden achtzehn Monate.

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Eine Regierung sei wie Wurst, "man will nicht sehen, wie sie hergestellt wird", ätzte die konservative israelische Zeitung "Makor Rishon" an jenem Tag, der den vorläufigen Endpunkt der 500-tägigen Regierungskrise bilden sollte. Am Sonntag präsentierte sich das neue Kabinett von Benjamin Netanjahu und seinem stellvertretenden Regierungschef Benny Gantz dem Parlament.

In den vergangenen Wochen hatten die Israelis genau verfolgen können, wie diverse Befindlichkeiten von Parteifunktionären verwurstet und neue Ministerposten gezimmert wurden, dass es nur so staubte.

Das Ergebnis ist die größte Regierung, die Israel je hatte. 34 Minister und 16 Vizeminister zählt das Kabinett. Wenn es in 18 Monaten zur vereinbarten Rotation kommt und Netanjahu das Premierminister-Heft an Gantz übergibt, bläht sich die Regierung gar auf 36 Minister auf. Das veranlasste den neuen Oppositionschef Yair Lapid in seiner Parlamentsrede zu einer makabren Bemerkung: In Israel hängen derzeit 50 Corona-Patienten an Beatmungsgeräten. "Man könnte an jedes Krankenbett ein Regierungsmitglied setzen – und dann blieben immer noch zwei Minister übrig."

Lapid spielte auf die Geburtsstunde dieser Regierung an: Am 27. März hatte Lapids früherer Verbündeter Benny Gantz überraschend bekanntgegeben, mit seinem Rivalen Benjamin Netanjahu in Koalitionsgespräche für eine "Notfallsregierung" zu treten: Die Corona-Krise erfordere rasches Handeln und ein baldiges Ende des Stillstands. So rasch ging es dann aber doch nicht – und bis zur Vorstellung der Regierung zogen sieben weitere Wochen ins Land.

Viel Glas zerbrochen

Auf dem Weg ging einiges Glas zu Bruch: Benny Gantz’ Blau-Weiß-Bündnis zersplitterte, die Arbeiterpartei stürzte ab, die Rechtspartei Yamina verlor mit Rafi Peretz einen ihrer Promis ans Netanjahu-Lager, und Netanjahu selbst musste bis zuletzt im Parteikreis Egos streicheln und Tränen trocknen, weil es mehr Interessenten für Ministerämter gab als Ministerien. Dabei zeigte er sich gewohnt kreativ. Aus dem Energieministerium löste er die Wasseragenden heraus und filetierte das Bildungsministerium, um Parteifreund Zeev Elkin zum "Minister für Höhere Bildung und Wasserversorgung" küren zu können. Allerdings nur für 18 Monate – danach übernimmt Elkin das Transportressort.

Zum Dank für ihren Fahnenwechsel schrieb Netanjahu der Überläuferin Orly Levy-Abekasis, die bei der Wahl noch fürs Linksbündnis kandidiert hatte, sogar ein eigenes Ressort auf den Leib: "Ministerin für Gemeinschaftsstärkung und -förderung". In letzter Sekunde schuf Netanjahu noch das neue "Siedlungsministerium" – wobei hier bereits nach drei Monaten ein Wechsel an der Spitze eingeplant ist. Es sollen ja so viele Freunde wie möglich einen Platz an der Sonne bekommen. Dass der Ministerwechsel just in die heiße Zeit der Siedlungs-Annexion fällt, scheint nicht zu stören.

Wer daran zweifelte, dass es Netanjahu mit seinem Fahrplan zur Teilannexion des Westjordanlandes ernst meint, wurde vom frischgebackenen Premier bei seiner Rede im Parlament eines Besseren belehrt: Noch im Sommer wolle er den Plan umsetzen, sagte Netanjahu. Benny Gantz hingegen verlor am Sonntag keine Silbe zu diesem Thema. Die arabische Vereinte Liste, mit der Gantz vor einigen Wochen noch verhandelt hatte, findet jedoch klare Worte: Sie nennt das Kabinett nur noch "Annexionsregierung". (Maria Sterkl aus Tel Aviv, 17.5.2020)