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Wien/Hagenbrunn – Laut einem Bericht der "Kronen Zeitung" sind in einer Flüchtlingsunterkunft in Wien erneut Personen im Zuge eines Screenings positiv auf das Coronavirus getestet worden. Mindestens sieben Menschen seien betroffen, es dürfte ein Zusammenhang mit den Fällen in Erdberg bestehen. Die Personen seien nun in das Corona-Zentrum in der Messe Wien verlegt worden.

Bereits 400 Menschen in Quarantäne

Rund um den großen Wiener Coronavirus-Cluster befanden sich bis Montag mehrere hundert Personen in Quarantäne. Bisher wurden "mehr als 400 Absonderungsbescheide" ausgestellt, sagte Andreas Huber, Sprecher des medizinischen Krisenstabs der Stadt. Die Containment-Maßnahmen waren jedoch noch nicht abgeschlossen. Im Postzentrum in Wien-Inzersdorf gab es bisher 500 Tests, 70 Mitarbeiter waren positiv.

Im niederösterreichischen Post-Verteilungszentren Hagenbrunn wurden 63 Mitarbeiter positiv getestet, die in Wien wohnen, erläuterte Huber. Bestätigt wurden der APA auch Medienberichte, wonach in der Logistikzentrale eines großen Möbelhauses in Wien-Floridsdorf ebenfalls sechs Mitarbeiter an Covid-19 erkrankt sind. Diese Fälle dürften ebenfalls auf Leiharbeiter zurückzuführen sein.

Keine weiteren Erkrankten in Kindergarten

In einem vorübergehend geschlossenen Kindergarten in Wien-Liesing, wo eine mit einem Leiharbeiter zusammenlebende Mitarbeiterin und ein Kind infiziert sind, wurden inzwischen alle Kinder und Betreuer untersucht. Es gab keine weiteren Erkrankten.

In Kindergärten wird in Wien weiterhin bei Verdachtsfällen getestet. Im Bereich von Pflege-, Obdachlosen- und Flüchtlingseinrichtungen kündigte die Stadt dagegen weitere großflächige Tests an. Diese Strategie ist "aus unserer Sicht erfolgreich, dass wir genau hinschauen und in die Tiefe schauen", hieß es auf APA-Nachfrage aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ). Bei dem Cluster hätten rund 90 Prozent symptomlos Erkrankte identifiziert werden können. "Die haben wir auf diesem Weg ausfindig gemacht", sagte der Sprecher.

Zahlreiche Testungen

Knapp über 1.000 Testungen seien bisher im Flüchtlingsbereich durchgeführt worden. Rund 40 Infizierte sind laut Stadt Wien ebenfalls auf diesen Cluster in Verbindung mit Leiharbeitern zurückzuführen. Allein in einer Unterkunft in Erdberg waren 24 Bewohner infiziert. Hacker sagte aber am Sonntag, dass das Cluster nicht im Flüchtlingsheim Erdberg entstanden sei. Denn die meisten Fälle dort ließen sich auf die Post-verteilzentren zurückführen – jedoch nicht umgekehrt.

Die niederösterreichische Landessanitätsdirektorin Irmgard Lechner stritt am Montag ab, dass Hagenbrunn Auslöser für einen aktuellen Cluster an Coronavirus-Infektionen gewesen sei. "Es gab im Postverteilerzentrum Hagenbrunn im Vorfeld keinen einzigen positiv getesteten Corona-Fall. Der Patient Null dieses Clusters war ein Mann, der von seinem Wohnsitz in Wien nach Hagenbrunn pendelte. Die nächsten drei Fälle waren ebenso Personen, die aus Wien ins Postverteilerzentrum Hagenbrunn pendelten – und zwar im gleichen Bus wie der Patient Null", so die Landessanitätsdirektorin.

Debatte um Wahlkampfgetöse

Das neue Cluster war am Montag auch Thema bei mehreren Pressekonferenzen. Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sprach am Montag eine "Mahnung" in Richtung Stadt Wien aus, die Kooperation mit seinem Einsatzstab zu verbessern und das Hilfsangebot des Innenministeriums anzunehmen. Er beklagte, zu wenige Informationen aus Wien zu erhalten. Der Innenminister warnte vor einem "pandemischen Tsunami" und stritt ab, dass es sich bei seinen Aussagen um "Wahlkampfgetöse" handle.

"Dieser mediale Hickhack über Polizeizuständigkeiten wird eine mögliche zweite Welle nicht verhindern", schrieb Wiens Vizebürgermeisterin Birgit Hebein (Grüne) als Reaktion auf Twitter. Sie verlangte eine Fokus auf "die soziale Dimension der Neuerkrankten" sowie deren prekäre Arbeitsverhältnisse.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) hatte zuvor erklärt, dass die jüngsten Corona-Cluster nicht nur Wien, sondern auch Niederösterreich betreffen würden, und angekündigt, dass das "Grundmuster prekäre Arbeit" geprüft werde. (APA, red, 18.5.2020)